Politik im Sommerloch: Boykottiert die Sommerinterviews!
Man wünscht sich, einmal Mäuschen in den Köpfen der Redakteur:innen von ARD und ZDF sein zu können.
Die Sommerinterviews der deutschen Öffentlich-Rechtlichen sind eine feste Institution während der politischen Sauregurkenzeit. In diesen Interviews, die traditionell auf der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses im Berliner Regierungsviertel stattfinden, kommen Spitzenpolitiker:innen des Landes zu Wort. Doch ein wiederkehrendes Thema sorgt jedes Jahr aufs Neue für intensive Diskussionen in den Redaktionsstuben: Wie geht man mit der "Alternative für Deutschland" (AfD) um?
Ein heikler Balanceakt
Die Verantwortlichen bei ARD und ZDF sehen sich alljährlich der Herausforderung gegenüber, den richtigen Umgang mit der rechtsextremen AfD zu finden. Ein erklärtes Ziel ist es, die AfD-Politiker:innen "inhaltlich zu stellen" und ihre Aussagen kritisch zu hinterfragen. Doch Kritiker:innen argumentieren, dass dies oft scheitert, da die Befragten und ihre Anhänger:innen häufig gar nicht an einem faktenbasierten Diskurs interessiert sind. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die gezielte kritische Befragung die Partei in eine exponierte Rolle gedrängt und somit indirekt legitimiert wird.
Die umstrittene Normalisierung
Ein weiteres Problem ist die Normalisierung und Mainstreaming der extremen Positionen der AfD, wenn diese unkommentiert neben demokratische Positionen gestellt werden. Die Rolle von Journalist:innen sollte vielmehr darin bestehen, Akteur:innen zu beleuchten, die sich aus dem demokratischen Diskurs verabschieden, statt deren Ideen eine Bühne zu bieten.
Jugendformate ohne Erfolg?
Im Jahr 2017 wurde beschlossen, das Sommerinterview-Format durch ein Jugendformat namens "Frag Selbst" zu ergänzen, das jüngere Zielgruppen ansprechen soll. Diese Serie wird von der Tagesschau produziert und ist seit 2024 auch auf der Streaming-Plattform Twitch verfügbar. Doch die Möglichkeit, ein breites Publikum zu erreichen, bleibt gering. Trotz des modernen Formats und der Präsenz in sozialen Medien erreichen diese Interviews oft nur begrenzte Aufmerksamkeit.
Politische Landschaft im Umbruch
Im Jahr 2024 ist die politische Landschaft weiterhin im Wandel. Ideen wie „Remigration“, die euphemistisch die Deportation von Menschen fordern, finden bei der AfD Eingang in ihre Rhetorik und Wahlkampfstrategien. Gleichzeitig mobilisieren Millionen Menschen in Deutschland auf den Straßen gegen Rechtsextremismus. Trotz dieser Entwicklungen scheint es, als ob in den Köpfen vieler Redakteur:innen die Dringlichkeit eines stringenten Umgangs mit der AfD noch nicht vollständig angekommen ist.
Der Ruf nach einem Boykott der Sommerinterviews wird somit lauter. Der vermeintliche Nutzen dieser Interviews wird infrage gestellt, und viele fordern ARD und ZDF auf, ihre Praxis zu überdenken und keine Bühne mehr für rechtsextreme Kräfte zu bieten. (Moritz Post)
- NAG