„Nicht mehr schnell in den Griff zu bekommen“
Peter Sieben
Die eskalierenden Gangkämpfe in den Vororten Schwedens haben gravierende Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und verzerren die politische Landschaft des Landes nicht unerheblich. Diese Gewaltbereitschaft verschärft nicht nur die Sicherheitslage, sondern manifestiert sich auch in der politischen Debatte und den Lösungsansätzen.
Schwedische Vorstädte: Gefahrzonen und ihre Bewohner
Der Begriff „Utsatt område“ beschreibt in Schweden stark gefährdete Gebiete, in denen primär Menschen mit Migrationshintergrund leben – vorwiegend aus arabischen und afrikanischen Ländern. Diese Viertel, die hauptsächlich aus den 60er-Jahren stammende Sozialbauten am Rande von Städten wie Stockholm, Göteborg und Malmö bestehen, sind zunehmend Schauplätze krimineller Aktivitäten.
Politische Auswirkungen und Kritik
Die ansteigende Gewalt hat den Schwedendemokraten, einer rechtspopulistischen Partei, Auftrieb gegeben. Diese Partei weist Einwanderung als Hauptursache der zunehmenden Clankriminalität aus. Experten wie Tobias Etzold vom Norwegian Institute of International Affairs in Oslo argumentieren jedoch, dass nicht die Einwanderung, sondern verfehlte Sozial- und Integrationspolitiken sowie massive Segregation der eigentliche Ursprung des Problems sind. Die Integrationspolitik, früher ein Merkmal der schwedischen Willkommenskultur, wird nun als gescheitert angesehen.
Wachsende Gewalt und betroffene Jugend
Besonders tragisch sind die Schicksale der jungen Gewaltopfer: So starben in den letzten anderthalb Jahren zahlreiche Menschen bei Bandenkriegen, darunter auch der 13-jährige Milo. Die Gewaltbereitschaft in den schwedischen Vororten wird hauptsächlich von kriminellen Sub-Clans libanesisch-kurdischer und somalischer Herkunft getragen.
In diesen Vierteln, in denen der Ausländeranteil über 80 Prozent liegt, fehlt es an Integrationsmöglichkeiten und Arbeitsplätzen, insbesondere für die Jugend. Viele junge Menschen werden von kriminellen Clans zur Tat gezwungen. Heimlich Ermittlungsbehörden schätzen, dass rund 30.000 Menschen diesen gewaltbereiten Gangs angehören.
Erfolgslose Sofortmaßnahmen und Präventionsinitiativen
Die Schwedendemokraten hatten versprochen, das Problem der Bandenkriminalität schnell lösen zu können. Doch eingeständene Versäumnisse und fehlende Erfolge haben sie politische Unterstützung gekostet. Laut Etzold zeigt dies, dass die Lösungen nicht einfach oder kurzfristig erreichbar sind.
In Anbetracht der hochkomplexen Clanstrukturen setzen Experten wie Erika Hallenbo von der Polizei in Göteborg auf Präventionsarbeit. Programme wie das deutsche Projekt „Kurve kriegen“, das jugendlichen Kriminellen durch Anti-Aggressionstrainings eine Alternative zum kriminellen Lebensstil bietet, dient nun als Vorbild für ähnliche Initiativen in Schweden. Das schwedische Pendant „Rätt Kurva“ verfolgt dieselben Ziele.
Parallelen und Unterschiede zur Situation in Deutschland
Auch in deutschen Großstädten ist Clankriminalität ein bekanntes Phänomen. Ähnliche Ursachen wie Perspektivlosigkeit und fehlende Integration haben kleine Sub-Clans zu Kriminalität getrieben. Doch Experten wie Mahmoud Jaraba betonen, dass der Begriff „Clan“ differenziert genutzt werden sollte, um die Stigmatisierung ganzer Familien zu vermeiden.
Für zukünftige Prävention sollten politische Maßnahmen folgende Punkte umfassen:
- Intensivierung der Integrationsmaßnahmen und Schaffung von Arbeitsplätzen in betroffenen Vierteln.
- Implementierung von Programmen zur Jugendentwicklung und Prävention kriminellen Verhaltens.
- Aufbau direkter Kontakte zu den Oberhäuptern der kriminellen Clans, um ihre Aktivitäten zu monitoren und zu kontrollieren.
- Langfristige Unterstützung und Stärkung der lokalen Gemeinschaften durch Bildung und soziale Projekte.
Das Erkennen der tieferen sozioökonomischen Ursachen und der strategische Einsatz präventiver und integrativer Maßnahmen könnten dabei helfen, die Gewalt in den schwedischen Vororten nachhaltig zu reduzieren und die politische Stabilität zu fördern.
- NAG