Nordsee: Feuer auf Frachter – E-Autos als Gefahrenquelle?
Berlin. 27 Kilometer vor der niederländischen Insel Ameland hängen dichte Rauchwolken über dem Wattenmeer. Seit der Nacht steht dort ein Auto-Frachter in Flammen. Rettungskräfte versuchen mit aller Kraft, das Schiff vor dem Sinken zu bewahren – sollte das nicht gelingen, droht eine Umweltkatastrophe. Knapp 3000 Autos hat der Frachter „Fremantle Highway“ geladen. Die Besatzung musste nach Ausbruch des Brandes Hals über Kopf das Schiff verlassen. Ein Mensch kam dabei ums Leben, die übrigen 22 wurden leicht verletzt.
Bei einem Sinken des Schiffes könnten Treibstoff, Öl und die etwa 3000 Autos ins Wasser und auf den Meeresboden gelangen. „Wir tun alles, um das zu verhindern“, sagte ein Sprecher der Wasserbehörde dem Radiosender NOS. Aber die Rettungskräfte bereiteten sich „auf alle Szenarien“ vor.
Die Bergung sei schwierig, sagte der Sprecher der Küstenwache, Edwin Granneman. Und das Feuer war am frühen Mittwochnachmittag noch immer nicht unter Kontrolle. Ein Notkabel, über das der Frachter mit einem Schlepper verbunden ist, sei nicht stabil genug. „Die Lage ist nun zu instabil, um das Schiff wegzuschleppen.“ Durch das Kabel aber blockiert das Schiff die Seeroute von und nach Deutschland nun nicht länger für andere Schiffe.
Gegen Mitternacht war das Feuer auf der „Fremantle Highway“, die unter der Flagge von Panama fährt und von Bremerhaven unterwegs nach Ägypten war, ausgebrochen, berichtete die Küstenwache. Und zwar bei den etwa 25 elektrischen Autos an Bord. Die Besatzung versuchte, den Brand einzudämmen. Doch der breitete sich so schnell aus, dass die Besatzung das etwa 200 Meter lange Schiff verlassen musste. Einige Menschen mussten von Bord springen – rund 30 Meter in die Tiefe.
„Einer nach dem anderen sprang“, sagte Kapitän Willard Molenaar vom Amelander Rettungsboot, das als erstes an der Unglücksstelle war. „Die waren echt in Not, sonst springt man nicht einfach so tief.“ Sieben Menschen retteten er und seine Crew aus der See. Die übrigen wurden mit Hubschraubern von Bord geholt und in mehrere Krankenhäuser gebracht.
Lösch- und Bergungsschiffe waren schnell zur Stelle – auch aus Deutschland kam Hilfe. Doch das Feuer war nur schwer zu löschen. Vor allem die Lithium-Batterien der E-Autos erschwerten die Löscharbeiten, sagte der Sprecher der Küstenwache.
Möglicherweise waren sie die Ursache des Brandes. Erst kürzlich hatte der Industrieversicherer der Allianz (AGCS) vor erhöhtem Brandrisiko durch den Transport der Lithium-Ionen-Akkus auf Schiffen gewarnt. Hauptursachen für Brände, die von den Akkus ausgehen, seien Produktionsdefekte, beschädigte Batteriezellen oder Geräte sowie eine Überladung oder Kurzschlüsse, schreibt der Versicherer in seiner neuesten Schifffahrtsstudie. Sie seien tückisch, weil sie schwer zu löschen seien und sich spontan wieder entzünden könnten. „Die meisten Schiffe verfügen weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichende Frühwarn- oder Löschfähigkeiten, um solche Brände auf hoher See zu bekämpfen“, sagte der Schifffahrtsexperte Justus Heinrich.
Carsten-Michael Pix vom Deutschen Feuerwehrverband hingegen widerspricht der AGCS. „Das Löschen von Bränden bei E-Autos kann zeit- und wasserintensiver sein, es ist allerdings nicht unbedingt schwieriger“, sagt Pix. Wenn ein Lithium-Ionen-Akku in Brand gerate, würde ein chemischer Prozess in Gang gesetzt werden. Dadurch sei es notwendig, die Batterie zunächst für einige Zeit zu kühlen, erklärt er. Dafür könne allerdings, genau wie bei anderen Bränden auch, Wasser verwendet werden.
Eine Gefahr durch E-Autos sieht Pix nicht. „Mir ist nicht bekannt, dass von E-Autos ein höheres Brandrisiko ausgeht als von Verbrennern“, sagt der Experte. Wenn eine Lithium-Ionen-Batterie in Brand gerate, kämen dafür zwei Ursachen in Betracht, sagt Pix: „Das ist zum einen ein Unfallgeschehen oder eine externe Einwirkung und zum anderen ein Verarbeitungsfehler.“
Umweltorganisationen und auch Bürgermeister umliegender Gebiete sind jedoch besorgt über mögliche Schäden durch Öl oder Müll. „Das könnte eine Umweltkatastrophe für die Nordsee und das Wattenmeer bedeuten“, warnte ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch. Ein Untergang des brennenden Auto-Frachters könnte aus Sicht des Bürgermeisters der deutschen Nordseeinsel Borkum schwere Umweltschäden zur Folge haben. „Das Schlimmste wäre, dass das Schiff sinkt und unkontrolliert Schadstoffe in das Meer gespült werden“,