Wie konnte die Partei in diese Lage geraten?
Im Jahr 1968 begegnete die amerikanische Politik einer dramatischen Wendung: In der Vorwahl in New Hampshire erhielt der Senator aus Minnesota, Eugene McCarthy, über vierzig Prozent der Stimmen, während der amtierende Präsident Lyndon B. Johnson unter fünfzig Prozent fiel. Diese Ereignisse wecken Erinnerungen an die derzeitige Krise der Demokratischen Partei und Präsident Joe Biden, die im Sommer 2024 auf eine ungewisse Zukunft zusteuern.
Damals, am 31. März 1968, hielt ein sichtlich erschöpfter Johnson eine Rede aus dem Oval Office und verkündete, dass er angesichts der Herausforderungen, vor denen Amerika sowohl international als auch im Inland stehe, nicht erneut für das Präsidentenamt kandidieren werde. Diese überraschende Ankündigung kam, als McCarthy, ein entschiedener Kriegsgegner, großen Zuspruch erfuhr und Robert F. Kennedy seine eigene Kandidatur bekanntgab.
Bald nach Johnsons Rückzug jedoch, im Juni desselben Jahres, wurde Robert F. Kennedy während des Wahlkampfs in Sacramento von Sirhan Sirhan ermordet, einem 24-jährigen Palästinenser, der ihn für seine Unterstützung Israels im Sechstagekrieg verantwortlich machte. Dies war ein harter Schlag für die junge, linke Fraktion der Demokraten. Kurz zuvor war auch Martin Luther King erschossen worden, was zu massiven Protesten und Unruhen in den schwarzen Gemeinschaften führte. Letztlich nominierte die Partei Hubert Humphrey, Johnsons Vizepräsidenten, als Kandidaten, der jedoch die Wahl gegen den Republikaner Richard Nixon im November verlor.
In der Gegenwart, im Sommer 2024, sind erneut parallele Spannungen zu spüren, insbesondere da sich die Demokraten im August in Chicago, einer Stadt mit symbolischem Wert aus dem Jahr der Unruhen, zu ihrem Nominierungsparteitag versammeln werden. Zusätzlich haben Gegner des Gazakrieges Proteste angekündigt, und es gibt interne Debatten darüber, ob Präsident Biden durch einen anderen Kandidaten ersetzt werden sollte, um eine mögliche Niederlage im November abzuwenden.
Ausschlaggebend war Bidens Auftritt im Fernsehduell mit Donald Trump. Seine Leistung ließ Zweifel an seiner geistigen Fitness aufkommen und verstärkte Panik innerhalb der Demokratischen Partei. Trump, der energisch und fokussiert wirkte, setzte Biden mit einem einzigen Kommentar von unschätzbarem Wert matt: „Ich verstehe nicht, was Biden da sagt – wahrscheinlich weiß er es selbst nicht.“ Nach diesem Duell verbreitete sich die Furcht in der Partei.
Doch anders als 1968 sind die Vorwahlen jetzt abgeschlossen, und es gibt keinen Kennedy, der als Alternative auftreten könnte. Innerhalb des Establishments herrscht Skepsis gegenüber Vizepräsidentin Kamala Harris, und die Aussichten für einen parteiinternen Wechsel erscheinen gering. Die Partei kämpft mit internen ideologischen und generationellen Gräben, die einen koordinierten Übergang erschweren.
Bereits bei seiner Amtseinführung hatte Biden bereits 2021 seine Rolle als Brücke zu einer jüngeren Generation bezeichnet, was von vielen als Versprechen verstanden wurde, nur eine Amtszeit zu dienen und dann Platz zu machen. Doch im April 2023 verkündete er seine erneute Kandidatur, obwohl viele Parteimitglieder und politische Beobachter skeptisch waren.
Der politische Beraterkreis um Biden, bestehend aus langjährigen Vertrauten und Familienmitgliedern, unterstützte diese Entscheidung. Jill Biden und andere enge Berater sahen Bidens Kandidatur als Fortsetzung seines lebenslangen politischen Engagements. Doch die öffentliche Meinung zeigt sich weiterhin skeptisch: Umfragen zeigen ein Rekordtief für Biden, und sein gesundheitlicher Zustand wird immer mehr in Frage gestellt.
Selbst wenn Biden antritt, bleibt die Frage, wie die Partei verhindern könnte, dass seine Kandidatur die Gesamtaussichten bei den Wahlen beeinträchtigt. Die Sorge, dass Bidens Verzicht das Chaos nur verschlimmern würde, steht im Raum. Ein demokratischer Abgeordneter aus Texas, Lloyd Doggett, brachte es auf den Punkt, indem er Biden öffentlich aufforderte, aus dem Rennen auszusteigen – in einer Anspielung auf die schwere Entscheidung, die Lyndon B. Johnson einst traf.
Die Demokratische Partei steht vor einem Dilemma: Sollen sie Biden unterstützen, trotz wachsender Zweifel an seiner Fähigkeit, eine weitere Amtszeit zu führen, oder riskieren sie mit einem neuen Kandidaten den Verlust der Wahlen? Während viele in der Partei nach wie vor Bedenken haben, bleibt das politische Schachspiel um die Präsidentschaft 2024 spannend.
- NAG