Frankreichs Zukunft am Scheideweg: Die möglichen Folgen eines Machtwechsels
Von Pascal Thibaut, Deutschlandkorrespondent von Radio France Internationale
Vor genau einem Monat erinnerte Frankreich an den 80. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie. Dieses historische Ereignis markierte das Ende des faschistischen Vichy-Regimes und die Befreiung vom Nationalsozialismus. Mit der Parole „Nie wieder“ setzten sich seither französische Präsidenten gegen Rassismus, Ausgrenzung und Nationalismus ein. Es steht jedoch viel auf dem Spiel, da Frankreich heute Abend vor einem Wendepunkt steht.
Emmanuel Macron, der vor sieben Jahren mit dem Versprechen, die Rechtsextremen um Marine Le Pen in Schach zu halten, gewählt wurde, hat eine riskante Entscheidung getroffen: Er hat das Parlament aufgelöst. Diese Entscheidung könnte dem Rassemblement National (RN) um den erst 28-jährigen Jordan Bardella den Weg zur Macht ebnen. Sollte der RN die Stichwahl für sich entscheiden, steht das Land vor einer „Cohabitation“ – einer Machtteilung zwischen einem geschwächten Präsidenten Macron und einer rechtsextremen Regierung.
Historisch gesehen hatte Frankreich bereits mehrfach ähnliche Machtteilungen, in denen der Präsident zwar eine starke Rolle in der Außenpolitik, Verteidigung und europäischen Angelegenheiten behält, aber die Regierung das Tagesgeschäft dominiert. Für Macron, der für seine politische Durchsetzungsfähigkeit bekannt ist, wäre eine Zusammenarbeit mit Bardella konfliktreich und herausfordernd. Im Inland würde der RN insbesondere in den Bereichen Migration und Sicherheit gefordert sein. Auf europäischer Ebene könnten Ukraines Hilfen auf der Kippe stehen, da diese vom Parlament genehmigt werden müssen, und Bardella könnte sich hiergegen positionieren und Macron Paroli bieten.
Um einem möglichen Machtwechsel entgegenzuwirken, haben sich viele Drittplatzierte der anderen Parteien zurückgezogen. Diese strategische Entscheidung soll sicherstellen, dass in der Stichwahl immer ein Kandidat des RN gegen einen demokratischen Kandidaten steht, um so eine absolute Mehrheit des RN in der Nationalversammlung zu verhindern. Sollte diese Taktik aufgehen, kann ein rechtsextremer Durchmarsch verhindert werden. Falls Macron jedoch erfolgreich den RN in Schach hält und bis zu den nächsten Präsidentschaftswahlen 2027 an der Macht bleibt, könnte sein Erbe in den Geschichtsbüchern als das desjenigen, der den Rechtsextremismus besiegte, festgehalten werden.
Zusammengefasst steht Frankreich am Scheideweg, dessen Ausgang nicht nur die nationale Politik, sondern auch Europas Stabilität beeinflussen wird. Ob Macron seine riskante Wette gewinnt und sich weiterhin als Bollwerk gegen den Rechtsextremismus behaupten kann, bleibt abzuwarten.