Da hat Cem Özdemir ordentlich Staub aufgewirbelt. Der Bundesminister für Landwirtschaft und Mitglied der Grünen Partei hat kürzlich in einem Gastkommentar für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ erschütternde Erlebnisse seiner Tochter thematisiert. Diese berichtete nämlich davon, dass sie und ihre Freundinnen in Berlin oft unangenehm von Männern mit Migrationshintergrund angeschaut oder sogar sexualisiert würden. Während dies von einigen als Unterstützung rassistischer Klischees kritisiert und als ein Steilpass für die AfD angesehen wird, erhält Özdemir überraschenderweise auch Rückendeckung aus der migrantischen Gemeinschaft.
Ninve Ermagan, eine in Deutschland geborene Journalistin mit assyrischen Wurzeln, hat auf den Kommentar von Özdemir mit einem eindrücklichen Beitrag in derselben Zeitung reagiert. Ermagan, die sich selbst als Frau beschreibt, die gerne freizügig auftritt, schildert ihre eigenen Erlebnisse in deutschen Städten. Für sie sind insbesondere Männer mit Migrationshintergrund problematisch, die ihr in Schwimmbädern oder Einkaufsstraßen nachrufen, sie verfolgen oder mit Fragen bedrängen. Ihre Erlebnisse führten kürzlich dazu, dass sie bei einem Sicherheitsmann Schutz suchen musste. Eine tiefere Analyse dieses Phänomens bietet der Artikel von www.focus.de.
„Ein gefährliches Tabu“
Ermagans Aussagen gehen jedoch weiter und enthalten einen eindringlichen Appell an Politik und Gesellschaft: Sie fordert eine offene Diskussion über das vorherrschende, vielfach traditionelle Frauenbild in patriarchal geprägten Ländern, welches gewisse Männer nach Deutschland mitbringen würden. Nach Ermagan handele es sich um keine Einzelfälle, und sie kritisiert, dass die linke progressive Seite vermeintlich diese Themen nicht ernst genug nehme. Stattdessen werde die Opferperspektive ignoriert, glaubt sie. Auf ihre Worte hat sie viel Feedback erhalten, unter anderem von Cem Özdemir selbst, der ihre Offenheit lobt.
Eine Kluft in der politischen Landschaft
Der Artikel von Özdemir hat nicht nur die Diskussion über sexuelle Belästigung durch Migranten in Deutschland angefeuert, sondern auch andere auf den Plan gerufen, die von migrantischer Gewalt betroffen sind. Michael Kyrath schrieb einen offenen Brief an Özdemir und äußerte seine Enttäuschung darüber, dass Özdemirs Engagement für die Opfer migrantischer Gewalt erst nach einem persönlichen Erlebnis aufkam. Ein tragischer Fall: Seine Tochter Ann-Marie wurde 2023 von einem staatenlosen Palästinenser ermordet, was auch heute noch schmerzhafte Erinnerungen wachruft.
Kyrath wirft den Grünen vor, ihre Stimme in solchen Fällen nur dann zu erheben, wenn sie persönlich betroffen sind; in der Vergangenheit hätte es keinen derartigen Vorstoß gegeben. Er fordert ein wachsendes Bewusstsein und konsequentere Maßnahmen zur Prävention solcher Taten. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen zeigt, wie tief die Gräben in der gesellschaftlichen und politischen Landschaft verlaufen und dass hier ein dringender Dialog notwendig ist.