Pressemitteilung Nr. 242 vom 17.09.2024
Der Künstler Gunter Demnig verlegt in Friedrichshain zwölf weitere Stolpersteine. Mit Stolpersteinen wird am letzten freiwillig gewählten Wohnort an Menschen erinnert, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden – im Bezirk sind es bereits mehr als 1.050 Stolpersteine.
Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann: „Das kontinuierliche Erinnern an die unvergleichbaren Gräueltaten des Holocaust ist ein zentraler Teil unserer Gedenkarbeit. Stolpersteine sind ein wichtiges Element unserer gesellschaftlich getragenen Erinnerungskultur. Gerade in Zeiten eines wider erstarkenden Antisemitismus ist es notwendig, die Erinnerung an die Shoah an vielen Orten in unserem Bezirk präsent zu halten.“
- Wann? 23. September 2024, 11.45 Uhr, 14.10 Uhr und 13.20 Uhr
- Wo? Krautstaße, (zwischen Singerstraße und Kleine Markussstraße), Linienstraße 29 und Rigaer Straße 107
Zur Erinnerung an Jacob, Sonja, Max, Ruth, Edith und Dora Gutschein werden um 11.45 Uhr in der Krautstraße Stolpersteine verlegt.
Die Familie Gutschein lebte bis zu ihrer Flucht 1934 in der Krautstraße 13. Dieses Haus gibt es heute nicht mehr. Jacob Gutschein (*1892) war der Sohn von Adolf und Sara Gutschein (geb. Bleicher). Seine Mutter Sara starb während seiner Kindheit in Bendzin/Polen. Sein Vater und Jeanette (geb. Surin) heirateten 1902 in Wien. Beide stammten aus Polen. Wann sie nach Berlin kamen, ist nicht bekannt. Jacob und Sonja Gutschein (*1892, geb. Balsam) hatten vier Kinder: Max (*1920), Ruth (*1922), Edith (*1924) und Dora (*1929). Nachweisbar wohnten sie 1931 in der Krautstraße 13 zur Untermiete bei Max Kutter, der in dem Haus eine Metzgerei betrieb. Jacob arbeitete in der Textil-Fabrik seines Vaters in der Linienstraße in Berlin-Mitte. Adolf Gutschein flüchtete 1934 mit seiner Frau Jeanette nach Polen. 1935 wurde er enteignet und verlor das Grundstück an der Linienstraße 29/Lothringer Straße 95 mit dem Firmensitz. Die genauen Umstände ihrer Flucht sind nicht bekannt. Während der deutschen Besatzung in Polen wurden sie nach Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet.
Für Adolf und Jeannette Gutschein werden um ca. 14.10 Uhr in der Linienstraße 29 Stolpersteine verlegt.
Jacob, Sonja und ihre Kinder Max, Ruth, Edith und Dora flüchteten im Februar 1934 nach Spanien. Sie überlebten. Recherche und biografische Zusammenstellung: Theodor Bröcker, Stolperstein-Initiative Mitte
Mit der Verlegung von sechs Stolpersteinen in der Rigaer Straße 107 wird um 13.20 Uhr an Rosalie und Erwin Philippsborn sowie Emil, Ruth, Ingrid und Helga Neumann erinnert.
Rosalie Bernstein kam 1878 in Schwetz (Westpreußen, heute Polen) in einer jüdischen Familie zur Welt. Sie heiratete 1904 den jüdischen Fleischermeister Arthur Philippsborn (*1877 in Tempelburg) und bekam mit ihm drei Kinder: Paul (*1905), Erwin (*1908) und Ruth (*1910). Die Familie übersiedelte nach dem Ersten Weltkrieg von Tempelburg (Pommern, heute Polen) nach Berlin. Die Ehe von Rosalie und Arthur Philippsborn wurde 1935 geschieden.
Die Tochter Ruth heiratete 1934 den Schlosser Emil Neumann (*1905), der nicht jüdisch war. Mit ihm bekam sie zwei Töchter: Ingrid (*1934) und Helga (*1938). Die Familie lebte in der Rigaer Straße 107. Auch Rosalie, Paul und Erwin Philippsborn lebten dort.
Rosalie Philippsborn wurde Ende August 1942 abgeholt und am 5. September 1942 nach Riga deportiert und ermordet. Ihr Sohn Erwin flüchtete daraufhin im September 1942 nach Wien, wo er kurz nach seiner Ankunft verhaftet wurde. Er wurde am 5. Januar 1943 von Wien nach Theresienstadt deportiert und zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet.
Paul Philippsborn hatte 1941 geheiratet und lebte mit seiner Frau Annemarie in der Dunckerstraße 21 im Prenzlauer Berg. Beide wurden am 4. März 1943 nach Auschwitz verschleppt, zur Zwangsarbeit selektiert und später ermordet.
Ruth blieb durch ihre sogenannte „Mischehe“ mit Emil Neumann vor der Deportation verschont, dennoch war die Familie Repressalien ausgesetzt. Die Neumanns emigrierten 1949 nach Israel.
Recherche und biografische Zusammenstellung: Christiana Hoppe, Stolperstein-Initiative Friedrichshain-Kreuzberg
Stolpersteine, deren Verlegung von Angehörigen oder Nachfahren von Opfern des Nationalsozialismus initiiert wird, finanziert seit 2017 das Bezirksamt. Dieses Vorgehen hat die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg mit einem Beschluss (DS/0417-15/V) bekräftigt.
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