Ein hoher Preis - ein Kommentar von Christian Kerl zur Wiederwahl Ursula von der Leyens
Es war keine leichte Aufgabe für Ursula von der Leyen, ihre Wiederwahl als Kommissionspräsidentin des EU-Parlaments zu sichern. Mit einem informellen Bündnis aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen musste sie eine Mehrheit finden, während das Bündnis selbst durch die Europawahl geschwächt wurde. Und das war nicht alles - von der Leyen musste auch versuchen, die Grünen und sogar rechtspopulistische Stimmen auf sich zu ziehen. Doch letztendlich konnte sie mit deutlicher Mehrheit wiedergewählt werden.
Man könnte sagen, dass dies eine beachtliche Machtleistung ist, die jedoch ohne die Vernunft der Mehrheit der Abgeordneten nicht möglich gewesen wäre. Obwohl es Vorbehalte gegen die Präsidentin gab, wurden genügend Stimmen gefunden, um sie erneut ins Amt zu bringen. Die Alternative wäre eine langwierige Personaldebatte gewesen, von der die EU sich erholt hat. Von der Leyen kann nun auf ihre Erfahrung in der Kommissionszentrale zurückgreifen, wo sie bereits seit fünf Jahren tätig ist und ein gut aufgebautes Netzwerk hat.
Die Präsidentin hat sich besonders in der Klimapolitik einen Namen gemacht, aber ihr Hauptaugenmerk liegt auf der internationalen Bühne, von Kiew über Washington bis Peking. Doch in der europäischen Außenpolitik ist Teamarbeit gefragt, und die Verantwortung wird zwischen drei EU-Spitzenpolitikern und 27 Staats- und Regierungschefs geteilt. Von der Leyen hat jedoch manchmal ihre eigentlichen Aufgaben als Leiterin einer großen Behörde vernachlässigt. In ihrer ersten Amtszeit ist die Bürokratielast enorm gewachsen, während der Schutz der Rechtsstaatlichkeit und die Belange der Wirtschaft und des Binnenmarktes vernachlässigt wurden.
Jetzt verspricht von der Leyen, dass sich dies ändern wird. Sie hat Bürokratieabbau, wirtschaftsverträglichen Klimaschutz und eine Verteidigungsunion angekündigt. Doch viele fragen sich, warum sie nicht schon früher gehandelt hat. Es wird sicherlich Enttäuschungen geben, da ein Teil ihrer Versprechen vage und auf die Sicherung ihrer Mehrheit ausgelegt sind. Die Abgeordneten wussten darüber Bescheid, haben aber aus staatspolitischer Verantwortung für sie gestimmt, um eine Führungskrise in der Kommission zu verhindern.
Es ist wichtig, dass von der Leyen dieses Wahlergebnis nicht als uneingeschränktes Vertrauen missversteht. Sie hat clever um ihre Position gekämpft, doch ihre Glaubwürdigkeit hat in den letzten Monaten gelitten. Um neues Vertrauen aufzubauen, wird sie noch viel Arbeit leisten müssen.