Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich jüngst besorgt über die politischen Entwicklungen in Deutschland, insbesondere die fortwährenden Erfolge der AfD in den ostdeutschen Ländern nach den Landtagswahlen. Im ARD-Talk bei Caren Miosga stellte er fest, dass die politische Landschaft stark von der Geschichte der DDR geprägt sei. Viele AfD-Wähler, so Gauck, sehnten sich nach einer autoritären Führung und hätten das Bedürfnis, sich unterzuordnen.
Gauck betonte die Notwendigkeit, Vorbilder aus Gesellschaft, Sport und Kultur zu fördern, die den Menschen die positiven Aspekte einer freien Gesellschaft näherbringen. „Wir brauchen mehr Erzählungen vom Gelingen“, so der 84-Jährige. Diese Erzählungen sollen dazu beitragen, die Sehnsüchte und Ängste der Menschen aufzugreifen und ihnen eine Perspektive für die Zukunft zu bieten.
Die Rolle der AfD bei jungen Wählern
Bei den Wahlen in Brandenburg erzielte die AfD 29,2 Prozent der Stimmen und wurde damit zweitstärkste Kraft, nur knapp hinter der SPD. Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach führte den Erfolg der AfD bei jüngeren Wählern auf die fehlende Ansprache und Emotionalität der anderen Parteien zurück. Diese Parteien hätten es versäumt, die Bedürfnisse der Jugend zu adressieren, was dazu beiträgt, dass die AfD in sozialen Medien einen starken Einfluss hat.
Der Soziologe Steffen Mau ergänzte, dass die AfD geschickt Themen zuspitze und emotionalisiere. Die herkömmlichen Parteien hätten nicht genug Mittel, um die Wählerschaft zu erreichen. Dies könnte dazu führen, dass sich das Parteiensystem in Deutschland fundamental verändert, da immer weniger Menschen politisch engagiert sind. Stattdessen müssen neue Formen der politischen Partizipation entwickelt werden.
Kritik an der Bundesregierung und der Migrationspolitik
Gauck kritisierte die Bundesregierung, insbesondere die Ampelkoalition, für die nicht erfüllten Erwartungen, die sie bei den Bürgern geweckt habe. Seine besondere Sorgfalt galt dem Thema Migration, wo er eine verspätete und unentschlossene Reaktion der Politik bemängelte. Er stellte fest, dass die Unklarheit in der Migrationspolitik einen Nährboden für nationalpopulistische Strömungen schafft.
Er betonte, dass es für die Bevölkerung wichtig sei, Grenzen zu haben und dass die Politik diese Bedürfnisse nicht ignorieren dürfe. Rückblickend auf die Ereignisse von 2015, als die Willkommenskultur ausgerufen wurde, erklärte er, dass sich die Situation heute deutlich verändert habe. Dennoch gebe es nach wie vor ein starkes Zusammenspiel von solidarischen und guten Ansätzen innerhalb der Gesellschaft.
Gauck führte weiter aus, dass die ostdeutsche Gesellschaft mit den politischen Nachwirkungen der DDR zu kämpfen hat, was die aktuellen Verhältnisse stark beeinflusst. Er machte deutlich, dass nicht die Menschen aus dem Osten wertlos sind, sondern die Ausgangsbedingungen für eine aktive Teilhabe an der Demokratie deutlich schlechter waren als im Westen.
Abschließend betonte er, dass die Suche nach Beheimatung und Sicherheit für viele Menschen kein reaktionäres Verhalten sei. Es sei wichtig, ein Gleichgewicht zwischen dem Streben nach einem humanen Rechtsstaat und der Förderung einer liberalen Gesellschaft zu finden. „Ohnmacht wollen wir nicht“, schloss er. Sein Plädoyer richtet sich an alle, Engagement zu zeigen und Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen.