„Betet für Libanon“ – diese eindringliche Botschaft prangt auf vielen Leuchttafeln in der Hauptstadt Beirut. Die Bürger des Libanon, die zwischen verschiedenen Religionsgemeinschaften wie Drusen, Schiiten und Sunniten aufgeteilt sind, suchen in diesen unruhigen Zeiten Halt im Glauben. In den Kirchen und Moscheen wird gebetet, während über ihren Köpfen die Drohnen der israelischen Luftwaffe patrouillieren. Die Menschen leben in ständiger Angst vor erneuten Konflikten, besonders nach den kürzlichen Eskalationen. Wöchentliche Berichte des libanesischen Gesundheitsministeriums sprechen von über 1000 Toten, darunter sowohl Kämpfer der Hisbollah als auch Zivilisten.
Am Montagabend führten die israelischen Streitkräfte, entsprechend eigener Angaben, erste gezielte Angriffe auf Hisbollah-Positionen im Süden Libanons durch. Dies setzte eine neue Phase des Konflikts in Gang, die viele als „begrenzte Aktion“ erachten. „Ich hoffe, dass es nicht wie 2006 wird“, äußert ein Christ in Beirut und erinnert an die verheerenden Erfahrungen aus der Vergangenheit, als ein Krieg die ganze Region ins Chaos stürzte. Die Sorgen der Menschen sind gerechtfertigt, denn viele Ereignisse haben mit „begrenzten“ Einsätzen begonnen und sich schnell zu unkontrollierbaren Konflikten entwickelt.
Die Regierung in der Krise
Die Politiker im Libanon stehen vor einer enormen Herausforderung. Seit zwei Jahren gibt es keinen gewählten Präsidenten, und die politischen Parteien können sich nicht auf einen geeigneten Kandidaten einigen. Der Handlungsbedarf ist dringend, doch die Regierung bleibt handlungsunfähig. Währenddessen spüren die Menschen die Unsicherheit und die Dringlichkeit, dass jemand die Richtung weisen muss, doch die Hoffnung auf klare Ansagen bleibt unerfüllt.
Israel verfolgt mit seinen militärischen Operationen strategische Ziele. Die israelische Führung beruft sich dabei auf die Resolution 1701, die nach dem letzten großen Konflikt im Jahr 2006 verabschiedet wurde. Diese Resolution sah vor, dass bewaffnete Gruppen sich von der israelischen Grenze zurückziehen, was jedoch nie vollständig umgesetzt wurde. Der Auftrag der UNIFIL-Truppen, die in der Region stationiert sind, besteht hauptsächlich darin, die Aktivitäten der Hisbollah zu dokumentieren, ohne dass es zu signifikanten Fortschritten kommt.
Erinnerungen an frühere Konflikte
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt die Fragilität der Lage im Libanon. Die Operation Litani 1978 begann als kleiner militärischer Vorgang, führte jedoch zu einem jahrelangen Bürgerkrieg, der das Land in einen blutigen Konflikt stürzte. Während Israel damals versuchte, die PLO zu besiegen, gründete sich die Hisbollah als mächtiger Gegner. Heute hat die israelische Regierung ähnliche Ziele und möchte die militärischen Möglichkeiten der Hisbollah drastisch einschränken.
Inmitten dieser angespannten Situation zeigen sich bereits erste politische Bestrebungen, die sich aus der Krise heraus eine neue Machtposition zu schaffen. Die Hisbollah sowie andere politische Gruppierungen versuchen, die Kontrolle über die Geschehnisse zu gewinnen, während sich das alte Machtgefüge erneut in Frage stellt. Der Libanon, ein Land mit einer komplexen Landschaft von politischen und religiösen Interessen, steht vor einer entscheidenden Weggabelung.
Die Straßen Beiruts sind Zeugen dieser tiefen politischen Spaltungen; an vielen Plätzen dominieren die Symbole vergangener Konflikte und die gefallenen Helden, die noch immer in den Köpfen der Bevölkerung lebendig sind. Die Erinnerungen an den Bürgerkrieg sind schmerzhaft und allgegenwärtig. Obgleich Jahrzehnte vergangen sind, sind viele der tiefen Risse in der Gesellschaft noch nicht verheilt. Die Rückkehr zu den Waffen wird immer mehr zum Thema, und die Zeit der Ruhe scheint in der Ferne zu liegen, während das Land in der Unsicherheit gefangen ist.
Eine Sache ist gewiss: die gegenwärtige Realität im Libanon ist fragil. Der neue militärische Druck aus Israel könnte nicht nur die politische Landschaft verändern, sondern auch die sozialen Spannungen wieder entzünden, die seit dem Bürgerkrieg tief im Land verwurzelt sind. Die Menschen schauen besorgt in die Zukunft, während sie beten, dass die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen nicht erneut eine katastrophale Eskalation auslösen.