Reiche Eltern, die den Kollwitzplatz frequentieren, scheinen ein besonderes Vergnügen darin zu finden, sich von scheinbar untergeordneten Angestellten die Meinung sagen zu lassen. Eine Art wöchentliches Ritual, bei dem sie bereitwillig die Berliner Schnauze ertragen, als Strafe für ihre Invasion in die Stadt und den Verlust der einstigen Coolness. Es ist fast wie ein Maskenball des Feudalismus, bei dem sie ihre Buße suchen und anschließend stolz von diesem authentisch-berliner Erlebnis berichten. Der Charme des alten Currystands am Kollwitzplatz mag verschwunden sein, jedoch fand ein würdiger Ersatz in Form des grumpy Crêpes-Verkäufers seinen Platz. Seine harte und gerechte Art zieht Kunden aus verschiedenen Städten an, die bereit sind, sich von seiner gnadenlosen Ehrlichkeit überraschen zu lassen. Die Atmosphäre ist geprägt von unverblümter Direktheit und einer gewissen Ruppigkeit, die die Kunden mit einem wohligen Schaudern genießen. Die Szenerie am Kollwitzplatz verwandelt sich morgens zur Côte d’Azur Ost-Berlins, wo die reichen Eltern sich in einem Netzwerk aus Beziehungen und Überlegenheitsgefühlen suhlen. Doch sobald der Grauburgunder fließt, werden sie zu lautem und gewöhnlichem Volk, während ihre unbeaufsichtigten Kinder auf dem Spielplatz für Chaos sorgen. Trotz allem bleibt das Geschehen auf dem Markt ein einmaliges Erlebnis, das sich nächste Woche in ähnlicher Manier wiederholen wird.
NAG Redaktion
Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.