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Finnlands neuer Ministerpräsident Petteri Orpo: Ein Berufspolitiker mit Ambitionen

Finnlands neuer Ministerpräsident Petteri Orpo musste sich nicht lange in sein neues Amt einarbeiten. Er war bereits zwei Jahre lang Stellvertreter des ehemaligen Regierungschefs und sitzt seit über 15 Jahren im Parlament in Helsinki. Der 53-Jährige hat eine beeindruckende politische Karriere hinter sich und bezeichnet sich selbst als Berufspolitiker. Orpo war zuvor Landwirtschaftsminister, dann Innen- und schließlich Finanzminister. Bei den Parlamentswahlen im April dieses Jahres konnte er sogar die bis dahin amtierende Ministerpräsidentin Sanna Marin auf den dritten Platz verweisen. Unter seiner Führung wurde seine konservative Partei nicht nur stärkste Kraft, sondern erzielte auch das beste Ergebnis seit 2007. Am kommenden Freitag wird Orpo seinen Antrittsbesuch in Berlin absolvieren. Bei den Koalitionsverhandlungen hatte es Orpo allerdings nicht leicht. Die Verhandlungen zogen sich ungewöhnlich lange hin, da er statt auf ein breites Mitte-Bündnis mit den Sozialdemokraten um Marin lieber auf eine rechtskonservative Regierung mit der Rechtsaußenpartei "Die Wahren Finnen" setzte. Er musste die beiden Juniorpartner im Viererbündnis von dieser Idee überzeugen. Orpo gilt nicht nur als gewiefter Verhandler, sondern auch als ausgesprochen pragmatisch. In Politikfeldern, die ihn wenig interessieren, zeigt er sich kompromissbereit. In Wirtschaftsfragen hingegen nicht. Im Wahlkampf kritisierte er wiederholt die Geldpolitik der links-grünen Vorgängerregierung. Dabei möchte er nicht daran erinnert werden, dass Finnlands Schulden auch während seiner dreijährigen Amtszeit als Finanzminister gestiegen sind. Dennoch plant er erneut, den Staatshaushalt zu sanieren und vier Milliarden Euro einzusparen. Mit der Wahl seines rechtskonservativen Bündnispartners zeigt Orpo nicht nur seinen Pragmatismus, sondern auch die ideologische Flexibilität seiner Partei bei der Partnerwahl. In den ersten Wochen seiner Regierungszeit beschäftigt er sich vor allem mit der Vergangenheit rechter Koalitionspartner. Ein Wirtschaftsminister musste nach nur zehn Tagen zurücktreten, da er frühere Verbindungen zur Neonaziszene hatte. Seine Stellvertreterin soll mit rechten Verschwörungstheorien sympathisieren und sich rassistisch geäußert haben. Der gewählte Parlamentspräsident wurde bereits wegen rassistischer Hetze verurteilt. Trotz dieser innenpolitischen Beben fällt Orpo vor allem durch Weghören und Wegsehen auf. Obwohl er "alle Formen von Rassismus" verurteilt, distanziert er sich nicht von seinen Kabinettskollegen. Es scheint, dass der Regierungsflirt mit den Rechten möglicherweise ein Fehler war und dass Orpos Aufstieg vom Berufspolitiker zum Regierungschef Finnlands vielleicht nicht von Dauer sein wird.

NAG Redaktion

Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.

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