Sollten Eltern dafür bezahlen, wenn sie ihr nicht ernsthaft erkranktes Kind in einer Rettungsstelle vorstellen – und diese damit für echte Notfälle „blockieren“? Diese Frage hat in Berlin eine kontroverse Debatte unter Kinderärzten ausgelöst. Thomas Fischbach, der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, hat die Diskussion ins Rollen gebracht. Er fordert, dass Eltern, die ohne triftigen Grund eine Rettungsstelle aufsuchen, sich an den Kosten beteiligen. Seiner Meinung nach sollte die Notfallversorgung auf echte Notfälle konzentriert sein und nicht auf Bagatellerkrankungen, für die die Eltern unter der Woche keine Zeit hatten und mit denen sie dann am Wochenende in die Notaufnahme gehen. Caroline Schmitt, Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin im St. Joseph Krankenhaus Berlin-Tempelhof, hält den Vorschlag für weder machbar noch sinnvoll. Sie möchte als Ärztin nicht darüber entscheiden, ob Eltern berechtigt in die Notaufnahme gekommen sind oder nicht. Viele Eltern seien unsicher und könnten nicht alleine beurteilen, ob ihr Kind ernsthaft krank ist oder nicht. Ein Kind mit hohem Fieber könne in der Regel von alleine genesen, aber es bestehe auch die Möglichkeit, dass es eine Hirnhautentzündung hat. Schmitt ist der Meinung, dass Eltern, die sich Sorgen machen, einen Arzt aufsuchen dürfen. Wenn die Praxisärzte ihre Öffnungszeiten erweitern könnten oder es mehr Notdienstpraxen gäbe, würden weniger Eltern die Rettungsstellen aufsuchen, die eigentlich nur für echte Notfälle gedacht sind. Hermann Girschick, Chefarzt der Pädiatrie im Vivantes-Klinikum Friedrichshain, stimmt Fischbach darin zu, dass viele Kinder mit leichten Erkrankungen eine Rettungsstelle aufsuchen, obwohl sie eigentlich zu einem niedergelassenen Arzt gehören. Einige Eltern kommen am Wochenende, weil ihre Kinder husten, Schnupfen oder Durchfall haben. Oft könnten solche Erkrankungen mit Hausmitteln behandelt werden, aber vielen Eltern fehle die Erfahrung. Girschick betont, dass Rettungsstellen nicht für leichte Erkrankungen ausgelegt sind, da ihnen das Personal fehlt. Sie sollten sich auf richtige Notfälle und stationäre Aufnahmen konzentrieren. Er ist jedoch auch dagegen, Eltern für den Besuch einer Rettungsstelle zur Kasse zu bitten, da dies logistisch nicht möglich wäre und es auch Eltern gibt, die sich eine solche Gebühr nicht leisten können. Steffen Lüder, niedergelassener Kinderarzt in Hohenschönhausen, unterstützt hingegen den Vorschlag von Thomas Fischbach. Er findet eine Eigenbeteiligung sinnvoll, um den Missbrauch der Rettungsstellen zu stoppen. Allerdings sollte die Gebühr höher sein als fünf oder zehn Euro, damit sie wirksam ist. Er betont, dass Husten, ein Ausschlag oder eine Warze am Fuß keine Notfälle sind und dass solche Fälle auch beim Kinderarzt behandelt werden können. Es gibt verschiedene Meinungen von Kinderärzten in Berlin darüber, ob Eltern bezahlen sollten, wenn sie ihr nicht ernsthaft erkranktes Kind in einer Rettungsstelle vorstellen. Während einige Ärzte eine Eigenbeteiligung befürworten, sind andere der Meinung, dass dies problematisch wäre und zu einer missbräuchlichen Nutzung der Rettungsstellen führen könnte. Aktuell ist die Situation in den Berliner Kinderrettungsstellen aufgrund der Sommerzeit entspannt, doch die Ärzte befürchten, dass es im Herbst wieder zu Überlastungen kommen wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte entwickelt und ob möglicherweise neue Maßnahmen ergriffen werden, um die Ressourcen in den Rettungsstellen effektiver zu nutzen. In jedem Fall sollten Eltern darauf achten, mit ihren Kindern bei echten Notfällen die Rettungsstellen aufzusuchen und bei leichten Erkrankungen den niedergelassenen Kinderarzt zu konsultieren.
NAG Redaktion
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