Bei der bevorstehenden Wahl in den USA am 5. November wird der Einfluss religiöser Glaubensrichtungen auf den Wahlausgang einmal mehr deutlich. Der renommierte Religionswissenschaftler Andreas G. Weiß erklärt, dass die Art und Weise, wie die Kandidaten ihren Glauben kommunizieren, einen entscheidenden Unterschied machen kann. Während Donald Trump sich als eine Art messianische Figur inszeniert, die die Nation voranbringen möchte, präsentiert sich Kamala Harris mit einem modernen, spirituellen Ansatz, der über traditionelle Glaubenssysteme hinausgeht.
Ein zentraler Aspekt der US-Politik ist die Offenheit, mit der Politiker über ihren Glauben sprechen. Dieses Phänomen ist in Europa nahezu unbekannt, wo eine klare Trennung von Kirche und Staat besteht. Weiß merkt an, dass in Europa Politik und Religion oft nicht miteinander in Verbindung gebracht werden, was bedeutet, dass Politiker oft nicht einmal über ihren Glauben sprechen, geschweige denn, dass es sich auf ihre politische Eignung auswirkt.
Der Einfluss des Glaubens auf die Wählerschaft
Weiß bekräftigt, dass der Glauben der Wähler Einfluss darauf hat, welche Kandidaten als glaubwürdig angesehen werden. „In den USA wird die persönliche Religiosität von Amtsträgern erwartet“, so Weiß. Er hebt hervor, dass ein großer Teil der Bevölkerung die Glaubwürdigkeit eines Politikers an dessen religiösem Bekenntnis misst, was in Europa unvorstellbar wäre. In der Vergangenheit wurden sogar Atheisten oder Agnostiker in führenden politischen Ämtern akzeptiert, was jedoch in den USA nach wie vor tabu ist.
Im Kontext der Wahl stellt sich die Frage, ob Religion tatsächlich wahlentscheidend ist. Es gibt Stimmen, die argumentieren, dass Religion in den USA nicht unbedingt klassischen Konfessionen entsprechen muss. Vielmehr wird sie oft als eine Art patriotisches Bekenntnis interpretiert, das die besondere Rolle der USA in der Welt unterstreicht. Dieses Gefühl des besonderen Auftrags hat seit den Anfängen der Nation breite gesellschaftliche Zustimmung gefunden.
Bezüglich Donald Trumps Ansatz in der Religionspolitik stellt Weiß fest, dass viele seiner Anhänger eine messianische Hoffnung in ihn setzen. Viele Wähler empfanden die Notwendigkeit eines „Retters“, um die Herausforderungen des Landes zu bewältigen. Trotz der positiven wirtschaftlichen Indikatoren unter seinem Vorgänger Barack Obama verspürte ein Teil der Bevölkerung eine tiefe Unzufriedenheit und suchte nach einem Anführer, der die Nation aus der Krise führen könnte.
Ein Aspekt, der besonders auffällt, ist die Bereitschaft vieler Wähler, Trumps persönlichen Fehler – seine Affären und andere Skandale – zu verzeihen. Diese Verzeihung wird oft durch politische Übereinstimmungen in wichtigen Themen wie Abtreibung und der Unterstützung Israels gerechtfertigt. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“, ist eine gängige Rechtfertigung unter evangelikalen Christen, die durch seine Politik dennoch das Gefühl haben, dass er ihre Werte verkörpert.
Kamala Harris und der moderne Glaube
Anders als Trump wählt Kamala Harris einen subtileren Zugang zu ihrem Glauben. Sie präsentiert sich als eine moderne, gläubige Christin, die ihren Glauben nicht dogmatisch interpretiert. Harris hat sich mit ihrem Pastor beraten und betont, dass sie im Gebet die Entscheidung für ihre Kandidatur getroffen hat. Diese Herangehensweise erlaubt es ihr, Wähler zu gewinnen, die nach einer flexiblen und inklusiven Form von Religiosität suchen.
Darüber hinaus zeigt sie sich offen gegenüber verschiedenen Glaubensgemeinschaften, was ihrer Wählerbasis zugutekommt. Mit einem jüdischen Mann verheiratet, betont sie ihre interreligiöse Ehe und die damit verbundene Toleranz. Dies ist in Amerika von besonderer Bedeutung, da sich grausamere religiöse Konflikte weniger in ihrem Wahlkampf widerspiegeln als in denen der Republikaner.
Diese Aufgeschlossenheit ist besonders wertvoll in einer Zeit, in der die Zahl der Konfessionslosen in den USA stetig ansteigt. Harris spricht eine wichtige Wählergruppe an, die sich möglicherweise nicht mit starren religiösen Strukturen identifizieren kann. Ihre Fähigkeit, eine Balance zwischen Glauben und Toleranz zu schaffen, könnte ihr in der Wahl von Vorteil sein.
Die kommenden Wochen werden zeigen, wie sich die Vorstellung des Glaubens auf den Wahlausgang auswirken wird und ob die amerikanischen Wähler stärker von der persönlichen Religiosität einzelner Kandidaten beeinflusst werden, als von den politischen Inhalten selbst. Mehr Informationen dazu sind auch in einem Artikel von www.katholisch.de zu finden.