Neuer Präsident im Iran – Gedämpfte Hoffnung auf Wandel - Politik
Teheran (dpa). Der Iran steht am Beginn einer neuen Ära mit der Wahl von Massud Peseschkian zum Präsidenten, der das Amt mit einem Mandat für Veränderung antritt. Dies birgt sowohl Hoffnung als auch Skepsis, da das politische System und die gesellschaftlichen Herausforderungen im Land äußerst komplex sind.
Massud Peseschkian, ein gemäßigter Kandidat der Reformbewegung, gewann die Präsidentschaftsstichwahl am vergangenen Freitag mit 53,7 Prozent der Stimmen. Trotz seines Sieges bleibt die Frage offen, ob er in der Lage sein wird, die erhofften Reformen durchzusetzen. Irans politisches System, das sowohl republikanische als auch theokratische Elemente vereint, wird von konservativen Kräften dominiert, die Peseschkians Einfluss begrenzen könnten.
Politische Hürden für Veränderungen
Peseschkian hat sich im Wahlkampf für eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen und Änderungen im Inneren stark gemacht, darunter eine Kritik an der strengen Kopftuchpolitik. Doch die Macht der Revolutionsgarden und der absolute Einfluss des Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei stellen erhebliche Hürden dar. Selbst wenn Peseschkian die Bereitschaft zur Reform zeigt, bleibt abzuwarten, wie weit er ohne Unterstützung dieser mächtigen Interessengruppen gehen kann.
Der ehemalige Präsident Hassan Ruhani sieht in Peseschkians Wahl eine Chance zur Wiederaufnahme der Atomverhandlungen, ein wichtiger Schritt zur Linderung internationaler Sanktionen. Diese Sanktionen haben den Iran wirtschaftlich isoliert und das landesweite Finanzsystem stark beeinträchtigt. Doch für einen nachhaltigen Wandel bedarf es breit angelegter Kooperationen, die Peseschkian erst aufbauen muss.
Mehrheit bleibt skeptisch
Bei der Präsidentschaftsstichwahl beteiligten sich lediglich 49,8 Prozent der Wahlberechtigten, ein Zeichen großer Skepsis gegenüber der Möglichkeit eines echten Wandels. Historisch niedrige Wahlbeteiligungen in der ersten Runde mit rund 40 Prozent spiegeln das gesunkene Vertrauen in das politische System wider.
Der Wächterrat, ein islamisches Kontrollgremium, der die Kandidaten stets auf ihre Eignung prüft, hatte in der ersten Wahlrunde nur sechs der 80 Präsidentschaftsbewerber zugelassen. Dies mindert die Hoffnung auf tiefgreifende Reformen im Land weiter.
Peseschkian kommende Herausforderungen
Zu den drängenden Aufgaben Peseschkians gehören die Bewältigung wirtschaftlicher Schwierigkeiten, darunter hohe Arbeitslosigkeit und Einkommensungleichheit, sowie die Lösung gesellschaftlicher Spannungen, die durch jüngste Proteste weiter intensiviert wurden. Der Konflikt mit dem Westen und Israel bleibt nicht weniger brisant.
Peseschkian wird voraussichtlich am 4. oder 5. August vereidigt und hat danach 15 Tage Zeit, sein Kabinett vorzustellen. Bis zum 22. August muss dieses durch das Parlament bestätigt werden, wobei die Hardliner dort die Mehrheit haben. Ajatollah Chamenei rief nach der Wahl zur politischen Versöhnung auf, doch eine Kooperation zwischen den verfeindeten Lagern scheint unwahrscheinlich.
Gesellschaftlicher Wandel und Polarisierung
Der Iran ist seit vielen Jahren von inneren Spannungen geprägt, die sich 2022 durch den Tod einer jungen Frau in Polizeigewahrsam weiter verschärften. Diese Ereignisse haben die bereits tief gespaltene Gesellschaft weiter polarisiert. Peseschkian bemüht sich um ein neues Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung, doch viele Iraner und Iranerinnen zweifeln an der Möglichkeit durchgreifender politischer Reformen.
Zusammengefasst bleibt abzuwarten, ob der neue iranische Präsident die umfangreichen Implementierungen tatsächlich umsetzen kann, für die er in seiner Amtszeit werben wird. Trotz seines gemäßigten Ansatzes und der Absicht zu reformieren, stehen ihm gravierende strukturelle Hindernisse im Weg.
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