Berlin Aktuell

Warum Straßenbahnen in Berlin die bessere Wahl für den Nahverkehr sind

Fahren Sie in Berlin gern Bus? Ich nicht. Meist sind die Busse zu voll. Das ständige Anfahren und Bremsen, die vielen Ausweichmanöver und Sprints – ein gutes Fahrgefühl geht anders. Wenn man nicht einen der raren Doppeldecker erwischt, ist der Bus ein schnödes Transportmittel, mehr nicht.

Gäbe es eine faktenbasierte, unideologische Verkehrspolitik, wäre die Sache klar. Wo das Fahrgastaufkommen nicht für eine U-Bahn reicht, aber trotzdem groß genug ist, wo die Fahrbahnen breit sind und es Platz für abgetrennte Trassenabschnitte gibt, würden Straßenbahnen zügig am Stau vorbeigleiten. Sie könnten nicht nur mehr Fahrgäste befördern, an Bahnsteigen wäre das Ein- und Aussteigen auch leichter als beim Bus.

Auf der Heer- und Hauptstraße von Spandau nach Charlottenburg, der Rhein- und Hauptstraße in Schöneberg, auf der Urbanstraße in Kreuzberg: Überall, wo BVG-Busse entweder mit langen Pausen in Pulks oder im Sichtabstand verkehren, wäre die Straßenbahn das Mittel der Wahl. Von Schöneweide nach Steglitz und Neukölln, von Moabit nach Wedding: Wenn nach Sachgründen entschieden würde, müsste auch dort die Tram übernehmen. Der Nahverkehr würde attraktiver, die Fahrgastzahlen würden steigen – wie auf der neuen M10 nach Moabit. Der Schienenbonus wirkt verlässlich, natürlich auch in Berlin. (Quelle: Berliner Zeitung)

Fast überflüssig zu erwähnen: Die jüngste Neubaustrecke der Straßenbahn kostete 15 Millionen Euro pro Kilometer. Dagegen schlug die Verlängerung der U-Bahn-Linie U5 in Mitte mit 250 Millionen Euro pro Kilometer zu Buche. Doch die verkehrspolitische Debatte verläuft in Berlin traditionell schräg. Über Seilbahnen oder Spreeschifflein wird fabuliert, auch Magnetschwebebahnen gleiten durch das Wolkenkuckucksheim. In kleinen Fachzirkeln hat die Straßenbahn Fürsprecher, in der großen Politik nicht.

Zwar gab es Anfang der 1990er-Jahre ein kurzes Aufwallen der Vernunft. Die Verkehrsverwaltung, damals übrigens von CDU-Politikern geleitet, brachte so viele Kilometer Neubaustrecke auf den Weg wie danach lange nicht mehr. Als die SPD übernahm, wurde selbst die Verlängerung der heutigen M2 zum Alexanderplatz infrage gestellt. Eine Agonie begann, die auch noch nach der Übernahme durch die Grünen alle Bemühungen bremste.

Inzwischen hat der Senat wieder einige Straßenbahnprojekte unter den Fittichen. Doch jetzt können sich die Planer neue Jobs suchen. Die CDU schießt ein Vorhaben nach dem anderen ab. Im Blankenburger Süden und in Mahlsdorf stellt sie Anwohner-Motzerei über die Interessen der Mehrheit, in Kreuzberg könnte der Zaun um den Görlitzer Park das Aus bedeuten. In Mitte sollen sich die Autos die Leipziger Straße nun doch nicht mit der M4 teilen, die Straßenbahn kann doch durch die Nebenstraßen kurven.

Während selbst in den USA, Israel, in Frankreich und Großbritannien neue Straßenbahnstrecken entstanden sind, müssen sich viele Berliner auf unabsehbare Zeit weiterhin in Bussen drängeln. Dass die Ausbaubemühungen in Berlin faktisch gestoppt sind, hat keinen Autofahrer glücklicher gemacht. Doch weiterhin wird vor allem im Westen, wo die Zerstörung der „Elektrischen“ bejubelt wurde, gegen die Straßenbahn argumentiert, als stünde der Gottseibeiuns vor der Stadt. Etwas mehr Gelassenheit, etwas mehr Orientierung auf die Fakten täte der Debatte gut. Doch in Berlin wird das leider ein frommer Wunsch bleiben. (Quelle: Berliner Zeitung)

NAG Redaktion

Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.

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