„Ein bisschen sicherer als auf der Straße“ ist nicht genug
Bund, Länder und Kommunen müssen mehr und bessere Unterkünfte für Betroffene von Arbeitsausbeutung schaffen
Arbeitsausbeutung ist ein gravierendes Problem in Deutschland. Menschen, deren Arbeitskraft ausgebeutet wird, haben ein Recht auf Unterstützung, Schutz vor den Tätern und eine angemessene Unterkunft. Leider gibt es in Deutschland nicht genügend Schutzunterkünfte für Betroffene von Arbeitsausbeutung. Die bereits vorhandenen Unterkünfte erfüllen oft nicht die menschenrechtlichen Standards und sind zudem nicht für alle Betroffenen zugänglich, was den Verpflichtungen Deutschlands widerspricht.
Die Analysten des Deutschen Instituts für Menschenrechte haben die Unterkunftssituation für Betroffene von Arbeitsausbeutung untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Aufgrund ihrer Analyse haben sie Leitlinien entwickelt, die als Grundlage für neue Unterkünfte dienen sollen.
„Jeden Tag werden Menschen in Deutschland ausgebeutet. Wenn sie aus diesem Umfeld fliehen oder von den Ermittlungsbehörden entdeckt werden, besteht die Gefahr, obdachlos zu werden. Betroffene von Arbeitsausbeutung benötigen jedoch mehr als nur ein Dach über dem Kopf“, erklärt Naile Tanis, Leiterin der Berichterstattungsstelle Menschenhandel. „Es ist die Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen, ein System zu schaffen, das eine sichere und angemessene Unterkunft gewährleistet. Dafür sind finanzielle Mittel, Personal, enge Kooperation zwischen Behörden und Beratungsstellen sowie Mindeststandards für die Unterkünfte erforderlich.“
Die Analyse der Berichterstattungsstelle zeigt, dass Unterkünfte für verschiedene Zielgruppen benötigt werden, einschließlich Männer, Paare, Familien und Gruppen. Diese Unterkünfte sollten ausreichend groß und abtrennbar sein. Besonders wichtig ist der effektive Schutz für Betroffene, die von Tätern bedroht werden. Dabei sollte die Gefährdungseinschätzung der Polizei berücksichtigt werden. Zusätzlich ist der Zugang zu psychosozialer und geschlechtersensibler Beratung erforderlich. Die Unterbringung sollte es den Betroffenen ermöglichen, ihre Tagesstruktur wieder aufzubauen und ihren Alltag zu gestalten. Es ist auch wichtig, ihnen eine Zukunftsperspektive zu bieten, zum Beispiel durch Deutschkurse oder Aus- und Fortbildungsangebote. All diese Maßnahmen erfordern ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen.
Die Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Deutschen Instituts für Menschenrechte wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beauftragt, die Umsetzung der Europaratskonvention gegen Menschenhandel und der EU-Menschenhandelsrichtlinie in Deutschland unabhängig zu beobachten und zu begleiten. Die Finanzierung der Berichterstattungsstelle erfolgt während der vierjährigen Aufbauphase durch das Bundesministerium. Ihr Ziel ist es, bundesweite Mindeststandards für Unterkünfte zu etablieren.