Deportation von Bewohnern in der Ukraine: Russland droht mit weiteren Maßnahmen
Die Streitkräfte Russlands in der Region Cherson haben damit gedroht, Bewohner zu deportieren, wenn diese keine russischen Pässe annehmen. Diese Information wurde vom ukrainischen National Resistance Center bekannt gegeben. Insbesondere im Dorf Hornostajiwka, das auf der von Russland besetzten Ostseite des Flusses Dnipro liegt, wurden ukrainische Bewohner von den russischen Besatzern unter Druck gesetzt.
Laut dem National Resistance Center wurden den Bewohnern Fingerabdrücke abgenommen und sie wurden gezwungen, einen Antrag für einen russischen Pass zu unterschreiben. Andernfalls würden sie nach Russland deportiert werden.
Nachdem Russland zu Beginn des Krieges große Teile der Region Cherson erobert hatte, konnten die ukrainischen Truppen den Teil auf der Westseite des Dnipro wieder zurückerobern, darunter auch die Stadt Cherson. Dennoch hält Russland weiterhin die Teile der Region, die östlich des Flusses liegen.
Russland zwingt Bewohner der besetzten Gebiete in den Regionen Cherson, Saporischschja, Luhansk und Donezk schon seit einiger Zeit dazu, russische Pässe anzunehmen. Damit versucht Russland, diese Regionen formell in den russischen Staat zu integrieren. Scheinreferenden wurden in den vier Regionen abgehalten, um zu zeigen, dass die Mehrheit der Bewohner einen Anschluss an Russland wünscht. Diese Referenden werden von westlichen Staaten jedoch nicht anerkannt.
Berichten zufolge verweigern die russischen Besatzer denjenigen Bewohnern die medizinische Versorgung, die keinen russischen Pass annehmen wollen. Zudem drohen sie ihnen mit Zwangsrekrutierung in das russische Militär. Während der Flut infolge eines mutmaßlich von Russland verschuldeten Dammbruchs in Nowa Kachowka durften laut dem ukrainischen Generalstab nur Menschen mit russischem Pass das Gebiet verlassen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat angeordnet, dass jeder, der bis zum 1. Juli 2024 keinen russischen Pass hat, als Ausländer behandelt und deportiert werden könnte.
Dieser verstärkte Druck in den südlichen Gebieten der Ukraine war auch der Grund, warum Kiew trotz Munitionsmangel und fehlender Lufthoheit die Gegenoffensive bereits gestartet hat. Das bestätigte der Militärexperte Gustav Gressel dem Tagesspiegel nach einem Besuch in der Ukraine.
Gressel beschrieb die neuen Kriterien der Russen zur „Filtration“ wie folgt: „Es werden nicht mehr nur die Menschen ausfiltriert und dann in Lager oder nach Russland gebracht, die eindeutig ukrainisch sind, sondern nun auch die, die nicht eindeutige Sympathiebekundungen gegenüber Russland abgeben.“ Das seien völlig verschiedene Größenordnungen.
„Hinter dem Versuch, auch unter widrigen Materialbedingungen zum Erfolg zu kommen, steht das ständige Ansteigen des Vernichtungswillens und der Repression der Russen in den besetzten Gebieten“, sagte Gressel. „Diese Leute wollen die Ukrainer nicht zurücklassen – das war ein erheblicher Antrieb, die Gegenoffensive schon jetzt zu starten.“