Regenwasser in Berlin speichern – Umbau Berlins zur Schwammstadt würde bis zu 10 Milliarden Euro kosten
Damit Berlin nicht bald auf dem Trockenen sitzt, soll kostbares Regenwasser besser in der Stadt gehalten werden. Der klimagerechte Umbau der Stadt hat aber gerade erst begonnen. Das liegt auch an den gigantischen Kosten.
Bei Neubauten ist seit 2018 die Regenwasser-Bewirtschaftung auf dem Grundstück vorgeschrieben – so wenig Wasser wie möglich soll also in die Kanalisation abgeführt werden. Fünf bis zehn Milliarden Euro würde es kosten, Berlin zu einer Metropole umzubauen, die das Wasser hält und wie ein Schwamm speichert.
Der „Friedhof Georgen-Parochial II“ in Berlin-Friedrichshain ist eine typische grüne Oase in der Großstadt. Doch wie viele Oasen kämpft auch diese mit den Folgen des Klimawandels. Die Trockenheit tut den Bäumen nicht gut. Einige mussten gefällt werden. Und wenn es dann doch mal regnet, fällt meist so viel Wasser vom Himmel, dass es auf dem abschüssigen Friedhofsgelände abläuft, ohne versickern zu können.
Der Friedhofsverband Stadtmitte wollte diesen Wetterextremen nicht länger tatenlos zusehen. Das war der Startschuss für ein Projekt, das vorbildlich für die ganze Stadt sein könnte. Mit neuen Pflanzen, speziellen Rinnen und einer Versickerungsfläche wurde das Gelände im vergangenen Jahr klimafest gemacht. Das Herzstück des Projekts ist eine unterirdische Zisterne. Hier wird Regenwasser gespeichert, mit dem in Trockenphasen Blumen und Bäume gewässert werden.
Dank einer ungewöhnlichen Kooperation ist dieser unterirdische Tank mit einem Fassungsvermögen von fast 200.000 Litern deutlich größer geworden als ursprünglich geplant. Ein neu gebautes Bürohaus in der Nachbarschaft leitet das Regenwasser seines Dachs in die Friedhofs-Zisterne und nicht in die Kanalisation.
Was einfach klingt, ist rechtlich allerdings Neuland und finanziell nicht ohne. Der Friedhofsverband hat für sein Klima-Projekt knapp 500.000 Euro aus dem Förderprogramm des Landes zur Klimaanpassung bekommen. Der Eigentümer des Bürohauses hat noch einmal einen ordentlichen Betrag obendrauf getan, damit die unterirdische Riesentonne inklusive anspruchsvoller Steuerungstechnik gebaut werden konnte.
Einen effektiven Anreiz dafür bietet die Gesetzeslage. Bei Neubauten ist seit 2018 die Regenwasser-Bewirtschaftung vor Ort vorgeschrieben. Große Neubauvorhaben wie aktuell auf den Buckower Feldern wurden von Vornherein nach dem Schwammstadt-Prinzip konzipiert. Bei Zukunfts-Projekten wie dem Schumacher-Quartier auf dem ehemaligen Flughafengelände in Tegel mit mehreren tausend Wohnungen gehört das lokale Regenwasser-Management selbstverständlich dazu.
Berlin ist stark versiegelt. Mehr als ein Drittel der Fläche ist betoniert, asphaltiert oder bebaut. Wasser, das gerade nach langen, heißen Trockenphasen in der Stadt wichtig für die Pflanzen und für die Anreicherung des Grundwassers wäre, fließt in die Kanalisation und damit direkt oder über die Klärwerke in die Gewässer. Für Berlin ist das kostenbare Regenwasser in jedem Fall verloren. Daran ernsthaft etwas zu ändern, hat sich bislang noch kein politisch Verantwortlicher getraut.
Diese Zurückhaltung lässt sich vor allem mit den immensen Kosten erklären. Der Chef der Wasserbetriebe Christoph Donner wagte sich kürzlich mit einer Schätzung vor: Fünf bis zehn Milliarden Euro würde es kosten, Berlin zu einer Metropole zu ertüchtigen, die das Wasser hält und wie ein Schwamm speichert.
Ein Positiv-Beispiel dafür, dass dieser Umbau an manchen Orten schon begonnen hat, ist die Sanierung einer Top-Adresse. Der Gendarmenmarkt bekommt nicht nur ein neues Pflaster und technische Infrastruktur für Veranstaltungen. Die Wasserbetriebe sorgen auch dafür, dass der Platz wasserdurchlässig wird. Über ein so genanntes Rinnen-Rigolen-System können dort künftig über 5 Millionen Liter Regenwasser versickert werden. Planung und Bau der Entwässerung haben rund 4,2 Millionen Euro gekostet. Das ist etwa ein Fünftel der Gesamtkosten für Sanierung und Ertüchtigung des Gendarmenmarktes. Geld kommt überwiegend aus öffentlichen Fördertöpfen – so wie auch bei einem deutlich kleiner dimensionierten Projekt im Neuköllner Schillerkiez. Auf einer Länge von gut 300 Metern hat der Bezirk begonnen, das beschädigte Pflaster zu erneuern. Der Gehweg wird so angelegt, dass das Regenwasser in die vergrößerten Baumscheiben fließen und dort versickern kann. Die Gesamtkosten der Maßnahme liegen bei 375.000 Euro.
Wie weit private und öffentliche Eigentümer dagegen auf ihren Grundstücken mit der Entsiegelung und der dezentralen Regenwasser-Bewirtschaftung vorankommen, lässt sich nur mutmaßen. Die Regenwasser-Agentur führt nach eigenen Angaben bis zu 300 Beratungsgespräche im Jahr durch. Dabei bekommen die Eigentümer sehr konkrete Zahlen an die Hand, was eine Investition in die Schwammstadt kostet.
Die Regenwasser-Agentur schätzt, dass in der ganzen Stadt jedes Jahr Straßen und Plätze mit Fläche so groß wie fünf Fußballfelder auf unterschiedliche Arten von der Kanalisation abgekoppelt werden.
Auch in der Wohnungswirtschaft gibt es ein Bewusstsein dafür, wie problematisch die Versiegelung ist. Laut Umfrage des Verbands Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU haben rund 80 Prozent der Unternehmen, die sich an der Befragung beteiligt haben, bereits Maßnahmen umgesetzt. Dazu zählen Dachbegrünung, durchlässige Flächenbeläge oder Fassadenbegrünung.
Der Ausblick fällt jedoch ernüchternd aus: „Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt geht davon aus, dass auch im Anschluss an diese Programme wesentliche Investitionen erforderlich sein werden, um das Leitbild der Schwammstadt weiter umzusetzen.“ Wer diese Investitionen in die klimafeste Metropole stemmen soll, bleibt damit offen.