Mitten in die Entscheidungsfindung platzt der Lukas Verlag mit zwei Argumentationshilfen. Die eine beschäftigt sich direkt mit dem Plattenbau-Abschnitt der KMA – als erstes Buch sogar ausschließlich. „Magistrale der Moderne“ basiert auf der Doktorarbeit der Stadtplanerin Irma Leinauer. Sie dokumentiert minutiös den wenig welterbewürdigen Nachwende-Zustand, listet jede einzelne Typen- bzw. Sonderrealisierung der DDR auf und rekapituliert die Ideenfindung in nie gekannter Ausführlichkeit. Selbst gut Vorgebildete dürfen staunen – zum Beispiel über die vielen Gestaltungsalternativen, die es zwischen den anfangs avisierten Sequels der stalinistischen Zuckerbäckerschneise und dem letztlich verwirklichten „Ersten sozialistischen Wohnkomplex“ gegeben hat.
Gleichwohl taugt das Werk nicht als Plädoyer gegenüber der Unesco. Denn Leinauer bricht ihre Untersuchung jäh ab: im Jahr 2010. Dass seither die Bestandspflege ausgedehnt, der Weiterbau der unvollendeten Pavillons eingeleitet sowie besagte Welterbe-Initiative ins Rollen gebracht wurde, reißt Thomas Flierls kurzes Vorwort allenfalls an. So schreit der 600-Seiten-Wälzer, kaum aus der Druckerpresse gezogen, nach Fortschreibung.
Erinnerung an den Abriss der „Seeterrassen“ im Wohngebiet Fennpfuhl
Sechs Straßenbahnstationen weiter, beim Wohngebiet Fennpfuhl, genügt ein Zehntel an Papier für die erste umfassende Darstellung. Sie beginnt mit dem Ideenwettbewerb von 1956, der paritätisch DDR- und BRD-Städtebauer versammelte sowie ein kaum minder ungewöhnliches Ergebnis hatte: Gesellschaftszentrum, Gewässer und Grün waren in eins zu setzen, sie bildeten also zusammen die Mitte des Quartiers. Und bis heute wird diese Vision fast ausschließlich von Ostdeutschen mit Leben erfüllt, sie planten die Veränderungen, zugleich war die Fluktuation in der Bewohnerschaft stets unterdurchschnittlich. Eine der wenigen Ausnahmen – die Konversion des Konsument-Warenhauses, aus dem das Braunschweiger Entwurfsbüro Papendieck, Rade & Partner 2012 Wohnungen machte – taugt wiederum zur Blaupause für allüberall verwaiste Einzelhandelsflächen.
In der Summe kommt Georg Balzer, letzter Rahmenplaner am Fennpfuhl sowie Herausgeber des Buches, zu dem selbstkritischen Schluss: Positive und negative Veränderungen – wie etwa der 2008 verbrochene Abriss des Gaststättenkomplexes „Seeterrassen“ – halten sich die Waage. Für die Welterbe-Frage relevant ist, wie die Denkmalpflege die Entwicklung beeinflusst: Hier so gut wie gar nicht.
Gemäß einem Bericht von www.berliner-zeitung.de, brĂĽtet die Kultusministerkonferenz derzeit ĂĽber der Frage, ob die Berliner Karl-Marx-Allee (KMA) und ihr serieller Westendabschnitt zum nationalen Kandidaten fĂĽr den Unesco-Titel des Welterbes ernannt werden sollten. Eine vorherige Bewerbung scheiterte bereits vor zehn Jahren in der Vorrunde. Der Lukas Verlag hat nun zwei Argumentationshilfen vorgelegt. Das Buch „Magistrale der Moderne“ basiert auf der Doktorarbeit der Stadtplanerin Irma Leinauer und beschäftigt sich speziell mit dem Plattenbau-Abschnitt der KMA. Es listet die verschiedenen Typen- und Sonderrealisierungen der DDR auf und rekapituliert die Ideenfindung. Das Werk endet jedoch abrupt im Jahr 2010, was die Weiterentwicklung und den Fortschritt in der