„“nd.DerTag”: Eine Chance für Die Linke – zum Karlsruher Urteil zur Reform des Bundeswahlgesetzes
Die Linke steht in diesen schwierigen Zeiten vor großen Herausforderungen. Doch am Dienstag konnte sie endlich aufatmen. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Passage des neuen Wahlrechts für nicht grundgesetzkonform erklärt, die besonders Die Linke stark belastet hätte. Die geplante Abschaffung der Grundmandatsklausel, nach der eine Partei mit drei Direktmandaten auch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag einziehen kann, wurde von den Richtern zurückgewiesen. Diese Klausel war bisher sozusagen eine „Lebensversicherung“ für Die Linke.
Es stellt sich der Eindruck ein, dass die Politiker der Ampel-Koalition und der Union diese Passage speziell der linken Konkurrenz gewidmet hatten. Das eigentliche Ziel der Reform, die Begrenzung der Größe des Bundestags, ist durchaus legitim. Doch nun werden Maßnahmen ergriffen, die ein demokratisches Defizit zumindest gefühlt erzeugen werden. Die Tatsache, dass nicht mehr jeder Gewinner eines Wahlkreises automatisch ein Mandat erhält, wird Zweifel am Sinn der Wahl bei einigen Menschen schüren. Es ist nun die Aufgabe der Regierung und des Parlaments, das Gesetz so zu ändern, dass es verfassungsgemäß ist. Es wäre sinnvoll, zumindest eine Anpassung der Fünf-Prozent-Hürde in Erwägung zu ziehen, zum Beispiel wie es bereits bei den Europawahlen der Fall ist, bei denen sie in Deutschland nicht mehr gilt.
Wie auch immer es kommen mag, die Entscheidung aus Karlsruhe verbessert theoretisch zumindest die Chancen der Linken, im nächsten Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen. Praktisch betrachtet wird es jedoch äußerst schwierig sein, aus dem aktuellen Tief herauszukommen und wieder über fünf Prozent zu kommen oder drei Direktmandate zu gewinnen. Ein verschärftes Wahlrecht wäre auf jeden Fall keine Ausrede mehr für ein mögliches Scheitern. Karlsruhe hat den Weg geebnet; nun liegt es an Die Linke, ihn aus eigener Kraft zu bewältigen. Sie hat eigentlich keine Zeit, das Urteil zu feiern.