Kann die politische Gesinnung ein Kündigungsgrund sein?
In einer aktuellen Debatte stellt sich die Frage, ob die politische Gesinnung eines Arbeitnehmers ein legitimer Grund für eine Kündigung sein kann. Nach einem Vorfall auf der Insel Sylt, bei dem ausländerfeindliche Gesänge laut wurden, haben einige der beteiligten Partygäste ihren Job verloren. Der Präsident der Diakonie, Rüdiger Schuch, äußerte im April 2024, dass Mitarbeiter, die sich für die AfD einsetzen, nicht für seine Organisation arbeiten können. Um herauszufinden, in welchen Fällen die politische Gesinnung tatsächlich als Kündigungsgrund herangezogen werden darf, hat die Arbeitsrechtskanzlei Wittig Ünalp Antworten.
Im Bewerbungsprozess sind Diskriminierungen aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Identität verboten. Fragen, die auf solche Merkmale abzielen, sind daher nur zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Fragen zur Parteizugehörigkeit oder politischen Überzeugung dürfen grundsätzlich nicht gestellt werden – weder im Bewerbungsgespräch noch während der Anstellung.
Es gibt jedoch Ausnahmefälle, in denen die politische Gesinnung ausschlaggebend sein kann. Dies betrifft zum Beispiel konfessionelle oder parteipolitische Arbeitgeber sowie den öffentlichen Dienst.
Es ist wichtig zu beachten, dass eine Kündigung nicht allein aufgrund der Gesinnung erfolgen kann. Es kommt vielmehr auf die konkrete Tätigkeit, den Betrieb und das Verhalten der Person an. Wenn ein Arbeitnehmer sich in offener Weise politisch betätigt und dadurch negative Auswirkungen auf den Betrieb hat, kann eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht gezogen werden. In seiner Freizeit schuldet ein Arbeitnehmer jedoch lediglich seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung und kein bestimmtes Verhalten.
Eine strengere Bewertung von privatem Verhalten und politischer Gesinnung gilt im öffentlichen Dienst, insbesondere bei Beamten. Für sie können private Aktivitäten ohne direkten Bezug zum Betrieb eine unmittelbare Kündigungsgrund sein, da sie sich auch privat für die Einhaltung des Grundgesetzes einsetzen müssen. Wenn die verfassungswidrige Gesinnung eines Mitarbeiters Auswirkungen auf den Betrieb oder die Dienststelle hat und somit als ungeeignet für die vertragliche Tätigkeit angesehen wird, kann dies ebenfalls eine personenbezogene Kündigung rechtfertigen.
Selbst wenn die politische Gesinnung und Äußerungen im Privatleben nicht ausreichen, um eine Kündigung auszusprechen, besteht die Möglichkeit einer sogenannten Druckkündigung. Wenn andere Kollegen sich weigern, mit dem betreffenden Arbeitnehmer weiterzuarbeiten und mit einer Kündigung drohen, kann dies als Grund für eine Kündigung betrachtet werden.
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers gilt nur für die Arbeitsleistung und das Verhalten am Arbeitsplatz, nicht für das private Verhalten. Arbeitgeber und Betriebsrat sollten jede parteipolitische Betätigung im Betrieb unterlassen. Parteipolitische Werbung, die Veranlassung von parteipolitischen Resolutionen, das Sammeln von Unterschriften oder Geldspenden für eine bestimmte Partei gelten als unzulässige parteipolitische Betätigungen. Allgemeine politische Äußerungen ohne Bezug zu einer politischen Partei sind jedoch erlaubt.
Selbst wenn eine arbeitsrechtliche Kündigung ausgeschlossen ist und der Arbeitgeber keine direkte Einflussnahme auf die Mitarbeiter ausüben kann, muss er beispielsweise ausländerfeindliches Verhalten nicht tolerieren. Gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung zu ergreifen, wie beispielsweise betriebliche Versammlungen, Schulungen oder Einzelgespräche.
Die Arbeitsrechtskanzlei Wittig Ünalp, eine der größten Kanzleien für Arbeitsrecht in Deutschland, berät Unternehmen und Führungskräfte seit 1998 in allen arbeitsrechtlichen Fragen. Mit über 50 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, darunter 25 Fachanwälte für Arbeitsrecht, ist Wittig Ünalp deutschlandweit tätig und hat Standorte in Berlin, Bremen, Hamburg, Hannover, Köln, München und Nürnberg.