Berlin Aktuell

Die Dokumentation ‚Rocco und seine Brüder‘ enthüllt die radikale Aktionskunst von Berliner Künstlern im öffentlichen Raum

Titel: „Rocco und seine Brüder – Aktionskunst im Berliner Untergrund“

Ein Mann in einer dunkelblauen Latzhose mit einer Rolle Toilettenpapier unter dem Arm betritt ein blau-weiß lackiertes Dixieklo. Die Szene, die sich täglich in Berlin unzählige Male wiederholt, verwandelt sich plötzlich in etwas völlig Anderes. Statt eines Bauarbeiters, der einem intimen Geschäft nachgeht, sehen zufällige Passanten einen Graffitisprayer auf dem Weg in den Berliner Untergrund. Dies ist der Auftakt zur Dokumentation „Rocco und seine Brüder“ und zeigt das, was die Berliner Aktionskünstler als „urbanes Mimikry“ bezeichnen.

Einer der Künstler aus dem Kollektiv, der sich selbst als „Rocco“ vorstellt, erläutert: „Das Schöne an Berlin ist, dass die Menschen mit Scheuklappen durchs Leben laufen – und wir, sobald wir eine Warnweste anhaben, auf der Straße eine Daseinsberechtigung haben.“ Das Dixieklo steht über einem Notschacht eines U-Bahn-Tunnels, und auch der Ort ist nicht zufällig gewählt. Direkt dahinter befindet sich angeblich das Ordnungsamt Charlottenburg, wo die Mitarbeiter regelmäßig Raucherpause machen. Für Rocco und sein Kollektiv macht es Spaß, mit den Leuten zu spielen. Während niemand genau hinsieht, wenn Bauarbeiter der Reihe nach mit Toilettenpapier unter dem Arm zur Toilette gehen, führt das Verschwinden eines Kindes im Kapuzenpulli im U-Bahn-Tunnel zu völlig anderen Reaktionen.

Die Dokumentation „Rocco und seine Brüder – Radikale Aktionskunst aus Berlin“ ist eine Produktion des Saarländischen Rundfunks und kann bis 2025 in der ARD-Mediathek angesehen werden. Das Berliner Künstlerkollektiv sorgt seit 2016 mit Kunstaktionen und Installationen im öffentlichen Raum international für Aufsehen. Ursprünglich aus der Graffitiszene stammend, hat sich das Kollektiv weiterentwickelt und konzentriert sich nun auf Aktionskunst und Installationen. Ihre Aktionen reichen von einem symbolischen Grab für günstige Mietpreise im Kreuzberger Straßenpflaster über ein komplett eingerichtetes Zimmer im U-Bahn-Schacht bis hin zu einer umgedrehten Bären-Flagge auf dem Dach des Schöneberger Rathauses. Politische Themen sind dabei oft im Fokus der Künstler.

Entstanden ist die Dokumentation durch eine Zusammenarbeit mit den Regisseuren Philip Majer und Lukas Ratius von Bunkhouse Film. Über ein Jahr hinweg führten sie Interviews mit den Künstlern, sichteten Archivmaterial und filmten neue Szenen. Der Film zeigt eine Collage aus verschiedenen Aufnahmen, die sowohl von den Künstlern selbst als auch von den Filmemachern gemacht wurden. Die Ästhetik des Films greift die Atmosphäre der Graffitiszene auf und zeigt handgeführte Kameraaufnahmen, Drohnenaufnahmen und Interviewschnipsel, in denen meist Rocco das Geschehen kommentiert. Die schnellen Musikbeiträge erzeugen ein Adrenalin-gefülltes Gefühl, das die Künstler bei ihren Aktionen erleben.

Im Gegensatz zu vielen anderen Graffitikünstlern geht es „Rocco und seinen Brüdern“ nicht nur um das Endergebnis, sondern auch um den Kick und den Weg zur Vollendung ihrer Werke. Dabei nehmen sie in Kauf, dass nicht alles reibungslos läuft. Rocco berichtet, dass er bereits dreimal von einer Starkstromleitung getroffen wurde und dass Bekannte manche Aktionen nicht überlebt haben. Trotzdem bereiten sich die Künstler mit großer Sorgfalt vor. Rocco misst beispielsweise einen U-Bahnzug aus, vergleicht verschiedene Baureihen auf Wikipedia und verbringt Nächte im Gebüsch, um Sicherheitspersonal auszukundschaften. Dies nennt er „taktische Finesse“. Das Hindernis besteht darin, immer größer und aufwendiger zu werden, um das vorherige Erfolgserlebnis zu übertreffen.

Die Dokumentation „Rocco und seine Brüder“ zeigt nicht nur die leidenschaftliche Aktionskunst des Berliner Kollektivs, sondern wirft auch Licht auf die Bedeutung der Gestaltung des öffentlichen Raums. Berlin dient als Spielfeld für die Künstler, die mit ihren Aktionen sowohl provozieren als auch Spaß haben wollen. Sie wollen auf politische Themen aufmerksam machen und kritisieren, und der Film gibt faszinierende Einblicke in ihren Mikrokosmos.

NAG Redaktion

Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.

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