ver.di fordert Überarbeitung des „49-Punkte-Papiers“ der Ampelkoalition
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat die so genannte "Wachstumsinitiative" der Ampelkoalition kritisiert und fordert eine grundlegende Überarbeitung. Der Vorsitzende von ver.di, Frank Werneke, betonte, dass die geplanten Arbeitszeitpläne nicht der Lebensrealität der meisten Beschäftigten in Deutschland entsprechen. Am kommenden Mittwoch wird das Bundeskabinett über die Wachstumsinitiative entscheiden.
Obwohl einige Aspekte der 49 Punkte umfassenden "Wachstumsinitiative", wie beispielsweise die Themen Energiekosten und Netzausbau, in die richtige Richtung gehen, sei der Eindruck jedoch, dass einseitig die Interessen der Wirtschaft und der Besserverdienenden bedient werden, so Werneke. Er kritisierte, dass die geplanten steuerlichen Maßnahmen zu erheblichen Einnahmeausfällen führen würden, die vor allem die Kommunen belasten. Allein in den Kommunen habe sich bereits ein Investitionsstau von 160 Milliarden Euro aufgebaut. Werneke bemängelte, dass keine Lösungen für die Krise in der Pflege oder die finanzielle Schieflage von Krankenhäusern angeboten werden. Zudem fehlen positive Signale für soziale Gerechtigkeit, gesellschaftlichen Zusammenhalt und Investitionen, so Werneke.
Besonders kritisiert ver.di die geplanten Regelungen zur steuerlichen Vorzugsbehandlung von Überstunden. Damit würden Millionen von Teilzeitbeschäftigten, überwiegend Frauen, diskriminiert, da die Vergünstigungen nur für Vollzeitarbeitskräfte gelten würden. Werneke wies darauf hin, dass die meisten Teilzeitkräfte unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, da viele Unternehmen von vornherein nur Teilzeitstellen anbieten. Zudem gebe es keine verlässliche Kinderbetreuung oder Entlastung bei der Pflege von Angehörigen, um Teilzeitkräften eine Vollzeitarbeit zu ermöglichen. Werneke betonte auch die gesundheitliche Belastung von Beschäftigten in der Krankenpflege oder in Kitas, die gezwungenermaßen in Teilzeit arbeiten müssten. Werneke fragte, ob alle Tarifverträge gekündigt werden sollten, damit bezahlte Überstunden anfallen würden.
ver.di lehnt auch die geplante Aufweichung des Arbeitsschutzes ab, wie beispielsweise die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf mehr als acht Stunden täglich zu verlängern. Ebenso gehen die Pläne, Anreize zu setzen, über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten, an der Arbeits- und Lebensrealität der Menschen in den Dienstleistungsberufen vorbei. Werneke kritisierte auch den geplanten Steuerbonus für Zuzügler als instinktlos und diskriminierend gegenüber langjährig in Deutschland arbeitenden Menschen.
Weiterhin kritisierte Werneke die geplanten Maßnahmen im Rahmen des Bürgergeldes, da sie das Klischee unterstützen, dass der Großteil der Empfänger nicht arbeitswillig sei. Werneke hob besonders die Verlängerung der Wegezeiten auf bis zu drei Stunden täglich und die geplante Reduzierung des Schonvermögens zur Altersvorsorge hervor, da diese die Menschen unter Druck setzen und schlechtere Arbeitsbedingungen akzeptieren würden. Werneke bezeichnete die Bürgergeldreform als Rückkehr zu Hartz IV.
Des Weiteren kritisierte Werneke die angekündigten Verzögerungen bei der Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie und die Ausnahmen vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Er bedauerte, dass von der ursprünglichen Idee der Kontrolle von Lieferketten und dem Schutz von Menschenrechten in der Arbeitswelt nur noch Fragmente übrig geblieben seien.