Der unerwartete Segen des Immobilienerbes für eine junge Familie
Eine Immobilie zu erben kann das Leben vieler Menschen nachhaltig verändern. Dabei kann es sowohl eine persönliche Heimstätte bieten als auch finanzielle Sorgen lindern. Doch nicht immer verläuft das Erben problemlos. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat für seine Extra-Ausgabe einige interessante Urteile deutscher Gerichte zum Thema Immobilienerbe gesammelt.
Eine junge Familie hatte das Glück, ein Haus zu erben, das ihrem neuen Lebensabschnitt eine solide Grundlage bieten sollte. Allerdings stießen sie auf einige Hindernisse. Die sechsmonatige Frist zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung wurde von ihnen nicht beachtet, da sie sich mit Renovierungsarbeiten befassten. Das Finanzgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 4 K 2245/19) entschied, dass die Verzögerung zu lange war und die Erbschaftssteuer fällig wurde. Dieser Fall verdeutlicht die Bedeutung einer rechtzeitigen Nutzung des Erbes, um finanzielle Komplikationen zu vermeiden.
Der Fall einer alleinerziehenden Tochter zeigt jedoch, dass Ausnahmen gemacht werden können, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen den Einzug in das Familienheim unmöglich machen. Die Tochter konnte das geerbte Einfamilienhaus aufgrund schwerwiegender Hüft- und Bandscheibenprobleme nicht mehr selbstständig führen. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen II R 18/20) erkannte diese besondere Situation an und gewährte eine Ausnahme von der Erbschaftssteuerbefreiung.
Nicht immer verläuft die Regelung von Erbschaften unter Familienangehörigen harmonisch. Konflikte sind keine Seltenheit und können zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen NotZ(Brfg) 1/19) entschied, dass Behörden einen Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden können, wenn ein enterbter Hinterbliebener dies beantragt. In einem konkreten Fall hatte ein Sohn erst bei der Testamentseröffnung von seiner Enterbung erfahren und wollte daher eine beglaubigte Abschrift des Testaments einsehen.
Bei Streitigkeiten über den Wert von Nachlassgegenständen, zum Beispiel einer Immobilie, ist oft eine neutrale und fachkundige Bewertung unerlässlich. Das Landgericht Arnsberg (Aktenzeichen 1 O 261/19) entschied, dass ein Pflichtteilsberechtigter ein Gutachten in Auftrag geben kann, wenn der Verdacht besteht, dass der Wert zu niedrig angesetzt wurde. In einem solchen Fall sind die Kosten für das Gutachten vom eigentlichen Erben zu erstatten.
Der Umgang mit Testamenten ist oft komplex, da diese von den Erblassern häufig geändert werden. Das Oberlandesgericht Köln (Aktenzeichen 2 Wx 131/20) beschäftigte sich mit dem Fall einer Kopie eines eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments, in der handschriftliche Änderungen vorgenommen wurden. Die Richter entschieden, dass solche Änderungen nur gültig sind, wenn sie die Unterschrift des Erblassers enthalten.
Der Ausschluss eines gesetzlichen Erben von seinem Pflichtteil ist an hohe Hürden geknüpft. So ist zum Beispiel eine Körperverletzung am Erblasser nicht automatisch ausreichend, um den Pflichtteil zu entziehen. Das Landgericht Frankenthal (Aktenzeichen 8 O 308/20) entschied, dass nicht jede im Affekt begangene Handlung diese Voraussetzungen erfüllt. Im konkreten Fall konnte die genaue Natur der Übergriffe nicht mehr rekonstruiert werden.
Andererseits kann ein Diebstahl von Bargeld durch den Pflichtteilsberechtigten zum berechtigten Ausschluss vom Erbe führen. Das Oberlandesgericht Stuttgart (Aktenzeichen 19 U 80/18) akzeptierte dies in einem Fall, in dem ein potenzieller Erbe 6.100 DM gestohlen hatte und deswegen auch strafrechtlich verurteilt wurde.
Erben können einen Notar mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragen. Dabei liegt es im Ermessen des Notars, wie er den Auftrag erfüllt. Es kann nicht erwartet werden, dass er in alle Richtungen ermittelt, um Vermögenswerte aufzuspüren. Das Bundesgerichtshof (Aktenzeichen I ZB 40/23) entschied, dass dies nicht erforderlich ist, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte für weitere Recherchen gibt.
Nach dem Tod eines Erblassers kann es vorkommen, dass ein privatschriftliches Testament in seiner Wohnung gefunden wird. Wenn sichergestellt ist, dass niemand unbefugten Zugriff darauf hatte, wird vermutet, dass Änderungen vom Erblasser selbst vorgenommen wurden. Das Oberlandesgericht München (Aktenzeichen 33 Wx 73/23 e) betrachtete das Durchstreichen ganzer Passagen als eine Absicht des Erblassers, diese zu widerrufen.
Das Erben und Vererben von Immobilien und sonstigem Vermögen bringt viele Zweifelsfragen mit sich. Die Urteile deutscher Gerichte dienen als Orientierungshilfe für Erben und Erblasser und zeigen die Bandbreite an juristischer Auseinandersetzung in diesem Bereich.
Quelle: Berlin