Bündnisverteidigung – Pistorius vor Nato-Gipfel verärgert über geringen Wehretat – Politik
Der zunehmende Unmut von Verteidigungsminister Boris Pistorius über den jüngsten Haushaltskompromiss der Ampel-Koalition wirft ein Schlaglicht auf Deutschlands wachsendes Engagement und die Herausforderungen innerhalb der Nato. Während einer Pressekonferenz in Fairbanks, Alaska, brachte Pistorius seine Sorge über die begrenzten finanziellen Mittel zum Ausdruck, die der Bundeswehr zugewiesen wurden.
Obwohl Deutschland die größte Volkswirtschaft Europas ist, hat die Bundeswehr für das kommende Jahr lediglich einen Zuwachs im Wehretat von 1,2 Milliarden Euro erhalten, obwohl Pistorius einen Bedarf von 6,5 bis 7 Milliarden Euro angemeldet hatte. Dieser deutliche Unterschied könne die Modernisierung und Reaktionsfähigkeit der deutschen Streitkräfte beeinträchtigen, so der Minister.
Bei der Übung Arctic Defender 2024, an der etwa 60 Kampfjets, Tankflugzeuge, Transporter und Hubschrauber beteiligt sind, trainieren unter deutscher Führung Piloten verschiedener Staaten zusammen mit den USA komplexe Luftkriegsoperationen. Diese Übung simuliert den Bündnisfall, bei dem ein Angriff auf einen Nato-Verbündeten gemeinschaftlich abgewehrt wird. Zu den Szenarien gehören unter anderem die Zerstörung gegnerischer Luftverteidigungssysteme und Kommandozentralen sowie das präzise Abwerfen von Bomben aus niedrigen Höhen, um gegnerischem Radar zu entgehen.
Pistorius betonte, dass Deutschland angesichts seiner zentralen Rolle in der Nato und als zweitgrößter Beitragszahler nach den USA eine besondere Verantwortung habe. Diese Verantwortung erstreckt sich nicht nur auf Europa, sondern auch auf andere geopolitisch bedeutende Regionen wie die Arktis, die im Kontext zunehmender Spannungen mit Russland an strategischer Bedeutung gewinnt.
Das kommende Nato-Gipfeltreffen in Washington, das am Dienstag mit den Feierlichkeiten zum 75. Jubiläum des Verteidigungsbündnisses beginnt, findet in einer Zeit politischer Unsicherheit statt. Die Frage nach der Eignung von US-Präsident Joe Biden als Präsidentschaftskandidat sorgt für Unklarheit über die zukünftige Richtung der USA, während die Möglichkeit einer Wiederwahl von Donald Trump, der zuvor einen Austritt der USA aus der Nato in Erwägung zog, einiges Kopfzerbrechen bereitet.
Fähigkeiten zur Abschreckung ausbauen
Ein zentrales Thema des Gipfels wird die Verstärkung der Verteidigungs- und Abschreckungskapazitäten sein. Pistorius kündigte an, dass Deutschland noch in diesem Jahr 10.000 Schuss Artilleriemunition aus der tschechischen Munitionsinitiative für die Ukraine finanzieren und bereitstellen werde. Zudem solle in Washington eine Initiative zur gemeinsamen Beschaffung von Drohnen vorgestellt werden, welche die Verteidigungskapazitäten der ukrainischen Streitkräfte stärken soll.
Der Bundeswehrverband kritisierte die aktuellen Etatentscheidungen scharf. André Wüstner, der Vorsitzende, äußerte sich besorgt über die weitreichenden Folgen dieser Kürzungen für die Truppe und die dringenden Rüstungsprojekte. Auch der höchste deutsche Nato-General, Christian Badia, unterstrich in einem Interview die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierung und flexibler Einsatzfähigkeiten, um den militärischen Anforderungen gerecht zu werden.
Die Bundesregierung hat bereits erste Schritte unternommen, um ihre militärische Führungsrolle zu untermauern. Dazu gehört die Stationierung einer Brigade in Litauen, die bis 2027 mit 5.000 Soldaten einsatzfähig sein soll. Weitere Maßnahmen wie das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Waffenbestellungen und die European Sky Shield Initiative (ESSI) zeigen Deutschlands entschlossenes Handeln in einer zunehmend angespannten geopolitischen Lage.
In Fairbanks erklärte Pistorius abschließend, dass er trotz der finanziellen Einschränkungen das Beste aus der Situation machen wolle und sich in den kommenden Wochen und Monaten auf die neuen Gegebenheiten einstellen werde. Diese Entschlossenheit unterstreicht Deutschlands Bestreben, seine Verpflichtungen innerhalb der Nato trotz der finanziellen Herausforderungen weiterhin ernst zu nehmen und die Sicherheit des Bündnisses zu gewährleisten.
– NAG