Von der Wehrpflicht zur Zivildienst: Tom Günthers bewegte Geschichte

Erfahren Sie, wie Tom Günther 1981 Kriegsdienstverweigerung beantragte und seine Herausforderungen in Berlin erlebte.
Erfahren Sie, wie Tom Günther 1981 Kriegsdienstverweigerung beantragte und seine Herausforderungen in Berlin erlebte. (Symbolbild/Mein Berlin)

Berlin, Deutschland - Am 28. Mai 2025 entsorgte der fast 63-jährige Tom Günther alte Dokumente, darunter einen Musterungsbescheid aus dem Jahr 1981 sowie einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung. Diese Handlungen sind für ihn ein Teil der Reflexion über seine Vergangenheit. Günther verweigerte den Militärdienst und wollte stattdessen Zivildienst leisten. Dies war jedoch kein einfacher Prozess, da die Behörden ihm viele Hürden in den Weg stellten. Er beschreibt seine Erfahrungen mit der Bundeswehr und den Behörden als autoritär und ungerecht, was die gesellschaftliche Akzeptanz von Wehrdienstverweigern in Deutschland spiegelt, die erst ab den 1970er Jahren zunahm

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Sein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellte er bereits 1980. Bei der Musterung im Kreiswehrersatzamt in Hannover sah er sich beschimpfenden Äußerungen ausgesetzt. Trotz der politischen Umstände und des Vier-Mächte-Status erhielt Günther Schreiben der Wehrbereichsverwaltung, die in neutralen Umschlägen verschickt wurden. Um gegen diese unangemessene Handhabung zu protestieren, wandte er sich schließlich an die sowjetische Botschaft in Ost-Berlin. Nach der Wende, als er bereits ein Hochschulstudium abgeschlossen hatte, erhielt er erneut Post vom Kreiswehrersatzamt, das mit einer drohenden Einberufung bis zu seinem 32. Lebensjahr aufwartete.

Der lange Weg zur Anerkennung

Günther erhielt während seines Kampfes um die Anerkennung seines Antrags Unterstützung von einer Kampagne gegen Wehrpflicht und Zwangsdienste. Um Zeit zu gewinnen, schickte er ein polizeiliches Führungszeugnis nicht ab und stellte schließlich im Jahr 1993 einen wichtigen Erfolg heraus, als sein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt wurde. Dennoch musste er Zivildienst leisten. Um einer Einberufung zu entgehen, dokumentierte er gesundheitliche Probleme und legte Widerspruch ein, wobei er die Begründung für seine Verweigerung anpasste. Schließlich erhielt er die Mitteilung, dass eine Einberufung zum Zivildienst nicht mehr beabsichtigt sei.

Diese Erfahrungen reflektieren die rechtlichen Rahmenbedingungen der Kriegsdienstverweigerung in Deutschland, die durch Artikel 12a des Grundgesetzes geregelt sind. Dieses besagt, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst gezwungen werden darf. Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland 1949 als erster Staat diesem Recht Verfassungsrang einräumte, mussten Wehrdienstverweigerer bis 1983 ihre Gewissensgründe vor einem Prüfungsausschuss darlegen. Der Zivildienst wurde 1961 eingeführt und stellte einen ersten Schritt zur gesellschaftlichen Anerkennung von Wehrdienstverweigerern dar.

Gesellschaftliche Akzeptanz und aktuelle Entwicklungen

Die Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 führte zum Ende des Zivildienstes, was nicht nur die Wehrdienstverweigerer, sondern auch die sozialen Einrichtungen, die von diesen unterstützt wurden, vor neue Herausforderungen stellte. Während über 2,5 Millionen junge Männer als Zivildienstleistende tätig waren, blieben Verweigerer lange Zeit gesellschaftliche Außenseiter. In den letzten Jahren gab es jedoch eine Neubewertung, wobei Zivildienstleistende zunehmend als wertvolle Unterstützung im Sozialwesen anerkannt werden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind seit der Reform 2004 weitgehend unverändert geblieben. Interessierte können jederzeit einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, auch während des aktiven Wehrdienstes, und werden durch Organisationen wie die Deutsche Friedensgesellschaft unterstützt. Angesichts der geopolitischen Spannungen gab es allein im Jahr 2022 einen Anstieg der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung. Im Jahr 2023 wurden bereits 1.672 Anträge registriert, was zeigt, dass die Thematik auch heute noch von großer Relevanz ist.

Tom Günther plant, die alten Musterungsrichtlinien für seinen 19-jährigen Sohn aufzubewahren. In seinen Überlegungen spiegelt sich die Idee wider, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema Wehrdienstverweigerung und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen auch in zukünftigen Generationen wichtig bleiben sollte.

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Ort Berlin, Deutschland
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