Straßennamen unter der Lupe: Berlin ehrt Frauen und kämpft gegen Vorurteile

Straßennamen unter der Lupe: Berlin ehrt Frauen und kämpft gegen Vorurteile

Berlin, Deutschland - In den letzten Jahren hat sich in Berlin ein intensiver Diskurs über die Benennung und Umbenennung von Straßen entwickelt. Dieser Wandel ist oft auf die Geschichte und die Biografien der Namensgeber zurückzuführen, insbesondere wenn diese mit antidemokratischen Hintergründen in Verbindung stehen. Besonders auffällig ist das wachsende Interesse an Umbenennungen, das durch ein verändertes Diskriminierungsbewusstsein in der Bevölkerung verstärkt wird. In diesem Rahmen setzen sich zwei Bezirke aktiv dafür ein, eine Straße oder einen Platz nach der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer zu benennen, was auf den erstarkten Dialog über historische Verantwortung hinweist. Laut rbb24 müssen die Anwohner hierbei informiert werden, auch wenn sie kein Vetorecht haben.

Historisch gesehen, wurden Umbenennungen überwiegend in Zeiten politischer Umwälzungen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Wende, durchgeführt. In Berlin variiert der Anteil der nach Personen benannten Straßen erheblich zwischen den Bezirken. Pankow hat lediglich 9% dieser Straßen, während Friedrichshain-Kreuzberg fast 50% aufweist. Ungleichheiten zeigen sich auch erbarmungslos in der Geschlechterverteilung; nur etwa 5% der Straßen sind nach Frauen benannt, verglichen mit 29% nach Männern. Diese Ungerechtigkeit spiegelt sich in der Tatsache wider, dass die meisten Ehrungen zuvor Männern der politischen, militärischen oder kulturellen Elite vorbehalten waren.

Aktuelle Umbenennungstrends

In den letzten Jahren hat sich ein Trend etabliert, dass viele Bezirke beim Namen von Straßen gezielt Frauennamen bevorzugen. In Friedrichshain-Kreuzberg wurde bereits 2005 beschlossen, ausschließlich Frauen als Namensgeberinnen zu ehren, bis eine paritätische Verteilung erreicht ist. In den letzten zehn Jahren sind in Berlin mindestens 25 Straßen umbenannt worden, wobei zunehmend ein Bewusstsein für die Problematik von ehrenden Namen wächst. Dies äußert sich in einer Liste umstrittener Straßennamen mit antisemitischem Kontext und zeigt, dass viele Debatten über Umbenennungen noch bevorstehen. Der rechtliche Rahmen für Umbenennungen ist §§ 5 des Berliner Straßengesetzes, der Umbenennungen in bestimmten Fällen – insbesondere bei negativ belasteten Namen – erlaubt.

Ein Beispiel für die Komplexität der Umbenennungen ist der lange Prozess von der Initiative bis zur tatsächlichen Umsetzung. So dauerte die Umbenennung der Treitschke-Straße in Betty-Katz-Straße sage und schreibe 25 Jahre. Bei diesem Prozess gibt es oft bürokratische Hürden und Schwierigkeiten in der Kommunikation mit Anwohnern, die zu Verzögerungen führen können. Aktuell sind in Berlin mindestens acht Umbenennungen beschlossen, aber noch nicht umgesetzt, und weitere acht Anträge liegen vor.

Debatten über historische Kontextualisierung

Die Diskussion über Straßenumbenennungen ist nicht auf Berlin beschränkt, sondern findet auch in anderen Städten wie München, Mainz und Koblenz statt. Die Debatten erstrecken sich häufig auf die Überprüfung historischer Namen, die problematische Persönlichkeiten repräsentieren. So wird beispielsweise die Pacelliallee in Berlin, benannt nach Eugenio Pacelli, einem Papst, der NS-Tätern half, in der öffentlichen Diskussion thematisiert. Historische Kontexte von Straßennamen werden oftmals nicht ausreichend berücksichtigt, was zu Protesten und Forderungen nach Umbenennungen führt, wie etwa in der Diskussion um die Mohrenstraße in Radebeul oder die Forderung von Julien Reitzenstein, die Pacelliallee in Golda-Meir-Allee umzubenennen, wie zeit.de berichtet.

Das Konzept, historische Namen zu hinterfragen, erfordert ein feines Gespür für die gesellschaftlichen Veränderungen und erkennt die politische Agenda der jeweiligen Zeit an. Manche Kritiker warnen, dass die geführten Debatten den ersten Schritt in Richtung einer weitreichenden Umbenennung ganzer Stadtteile darstellen könnten, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende in Kreuzberg, Timur Husein, betont. Umbenennungen werden somit zu einem Spiegel einer sich wandelnden Gesellschaft und ihrer Werte.

Wie die Beispiele aus Neukölln zeigen, werden Umbenennungen auch als Zeichen des Gedenkens an Opfer von Gewalt und zur Anerkennung ihrer Leistungen verstanden. In diesem Zusammenhang wurden am 27. Februar 2025 die Kopfstraße in Roland-Krüger-Straße und die Morusstraße in Uwe-Lieschied-Straße umbenannt. Diese Umbenennungen sind nicht nur aus historischer Perspektive bedeutsam, sondern auch ein Akt der Solidarität, der von Fachleuten und der Öffentlichkeit gleichermaßen wahrgenommen wird. Bezirksbürgermeister Martin Hikel, der an der Feier zur Umbenennung teilnahm, bezeichnete solche Maßnahmen als Bereicherung der Stadt und ihrer Geschichte, wie Deutschlandfunk festhält.

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OrtBerlin, Deutschland
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