Entsiegelung im Graefekiez: Ein Beitrag zur Klimaanpassung und Verkehrsentlastung
Im Graefekiez in Berlin-Kreuzberg ist eine der größten Entsiegelungsmaßnahmen der Stadt im Gange. Dabei werden sukzessive Autostellplätze durch unversiegelten Boden ersetzt. Insgesamt sollen etwa 37 Stellplätze entsiegelt werden, was einer Fläche von rund 540 Quadratmetern entspricht. Der Graefekiez gehört neben dem Lausitzer Platz und dem Görlitzer Ufer zu den Pilotgebieten für derartige Entsiegelungsprojekte.
Der Hauptzweck der Entsiegelung besteht darin, Berlin auf den Klimawandel vorzubereiten. Durch die steigende Erderwärmung und den Klimawandel trocknet der Boden zunehmend aus und es kommt vermehrt zu Starkregenfällen. Die Entsiegelung ermöglicht eine bessere Versickerung des Regenwassers und verhindert Überflutungen. Zudem wird durch den erhöhten Anteil versickerungsfähigen Bodens weniger Regenwasser in die Kanalisation geleitet, wodurch Überläufe und die Verschmutzung von Gewässern reduziert werden.
Die Entsiegelung dient jedoch nicht nur der Klimaanpassung, sondern ist auch Teil eines umfassenden Verkehrsprojekts. Unter dem Motto „Schrittweise mehr Platz“ arbeitet das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gemeinsam mit dem Wissenschaftszentrum Berlin und weiteren Partnern an der Neugestaltung der Straßen im Graefekiez. Dabei stehen Verkehrssicherheit, Gewerbeverbesserung und der Ausbau von geteilten Mobilitätsangeboten im Fokus.
Ursprünglich war geplant, nahezu keine privaten Autostellplätze im gesamten Wohnviertel zuzulassen. Aufgrund rechtlicher Bestimmungen musste das Projekt jedoch deutlich abgespeckt werden. Statt 2200 Autostellplätzen werden nun lediglich 400 wegfallen. Die freigewordenen Flächen sollen zu Grünflächen, Sitzbereichen, Ladezonen und Sharing-Stationen umgewandelt werden.
Allerdings verzögert sich die Umsetzung des Projekts, obwohl es deutlich kleiner geworden ist. Beispielsweise sollten im April mehrere Jelbi-Stationen eingerichtet werden, an denen E-Scooter, Fahrräder und andere Sharing-Fahrzeuge vermietet werden können. Doch die Genehmigungen für die Flächen liegen noch nicht vor und die Eröffnung wird voraussichtlich erst im vierten Quartal 2023 erfolgen.
Auch die Einrichtung von Lade- und Lieferzonen gestaltet sich schwierig. Ursprünglich war geplant, diese im Juni und Juli 2023 einzurichten. Doch aufgrund begrenzter personeller Kapazitäten im Straßen- und Grünflächenamt sowie laufender Begleitforschung und Beteiligung steht noch kein konkreter Zeitplan fest.
Trotz der Verzögerungen verzeichnet das Projekt Graefekiez bereits erste Erfolge. Rund 400 Bürger haben beispielsweise das Angebot angenommen, Stellflächen im Parkhaus der Galeria Kaufhof am Hermannplatz in Neukölln für 50 Euro pro Monat zu mieten. Dadurch wird Platz im Wohnviertel frei und die Wege zum Auto werden verlängert, was die Nutzung alternativer Fortbewegungsmittel fördert.
Insgesamt ist die Motorisierungsrate im Graefekiez deutlich niedriger als in ganz Berlin. Mit knapp 180 Pkw auf 1000 Einwohner liegt sie nicht einmal halb so hoch. Dennoch gibt es auch Kritik am Projekt. Einige Anwohner lehnen das Experiment ab und die CDU kritisiert das Bezirksamt dafür, weiterhin eine autoparkplatzfreie Zone im gesamten Graefekiez anstreben zu wollen. Die genaue Zukunft der neu geschaffenen Grünflächen und deren Pflege bleibt ebenfalls abzuwarten. Schon jetzt hat das Bezirksamt Schwierigkeiten, Parks zu pflegen und sauber zu halten. Jedoch haben sich bereits etwa 50 Bürger gemeldet, die sich um die Pflege der entsiegelten Flächen kümmern möchten.