Rassismus in Deutschland: Wo bleibt die Veränderung nach Black Lives Matter?

Erfahren Sie, wie Rassismus in Berlin im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung diskutiert wird und welche Veränderungen erforderlich sind.
Erfahren Sie, wie Rassismus in Berlin im Kontext der Black-Lives-Matter-Bewegung diskutiert wird und welche Veränderungen erforderlich sind. (Symbolbild/Mein Berlin)

Berlin, Deutschland - Die Black-Lives-Matter-Bewegung, die nach dem Mord an George Floyd durch einen weißen Polizisten in Minneapolis 2020 weltweit große Aufmerksamkeit erhielt, hat zwar die öffentliche Wahrnehmung von Rassismus in Deutschland beeinflusst, doch sind die strukturellen Veränderungen bescheiden geblieben. Sozialwissenschaftler Cihan Sinanoğlu äußert in einem Interview, dass es trotz der massiven Proteste und der globalen Unterstützung für die Bewegung keine signifikanten Fortschritte in der Bekämpfung von Rassismus in Deutschland gegeben hat. Die Entwicklungen scheinen sogar rückläufig, insbesondere nach der letzten Bundestagswahl, in der die Diskurse um Migration zunehmend von rassistischen Stereotypen geprägt sind.

Sinanoğlu betont, dass das Thema Rassismus in Deutschland auf höchster politischer Ebene behandelt werden muss. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass 90 Prozent der Deutschen Rassismus als ein ernstes Problem wahrnehmen. Es wird jedoch bemängelt, dass strukturelle Veränderungen fehlen, die Rassismus effektiv bekämpfen könnten. Rassifizierte Gruppen sind überproportional im Niedriglohnsektor und in prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig und haben es schwerer, sich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Insbesondere müssen Menschen mit nicht deutsch klingenden Namen deutlich häufiger Bewerbungen schreiben, um die gleichen Chancen zu erhalten wie andere Bewerber.

Struktureller Rassismus und Polizeikritik

In Deutschland wächst das Bewusstsein für rassistische Diskriminierung, besonders innerhalb der Polizei. Historische Rückblicke zeigen, dass die Polizei in Deutschland im Vergleich zu den USA seit dem Kreuzbergerkenntnis von 1882 in ihren Befugnissen eingeschränkt wurde. Dennoch gibt es Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe und Racial Profiling.taz berichtet, dass es auch in deutschen Polizeistrukturen Verbindungen zu rechtsextremen Bewegungen gibt. Dies wirft die Kernfrage auf, wem die Polizei tatsächlich dient und wessen Freund und Helfer sie ist.

Aktuelle Forderungen nach Polizeireformen, unter dem Slogan „Defund the Police“, sind in den USA deutlich ausgeprägter als in Deutschland. Dort gibt es Städte wie Minneapolis, die das Police Department abschaffen und alternative Methoden des Community Policing erproben wollen. In Los Angeles wurde eine geplante Erhöhung des Polizeibudgets ausgesetzt und der Haushalt um 150 Millionen Dollar gekürzt. Dies zeigt, dass in den USA, trotz der Rückzüge führender Politiker von der „Defund“-Forderung, der Druck auf Polizeistrukturen wächst.

Öffentliche Wahrnehmung und Integration

Die Diskussion um Rassismus in Deutschland hat an Brisanz gewonnen, seit prominente Stimmen wie der Fußballspieler Mesut Özil ihren Rückzug aus der Nationalmannschaft mit Rassismus-Vorwürfen begründet haben. Eine repräsentative Umfrage von infratest dimap zeigt, dass zwei von drei Deutschen Rassismus für ein großes oder sehr großes Problem halten. Besonders stark ist die Wahrnehmung unter Anhängern der SPD, Linken und Grünen, während 62 Prozent der AfD-Anhänger das Problem kleinreden.

Die Integration von Migranten, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, wird von 62 Prozent der Befragten positiv bewertet. Im Gegensatz dazu sehen nur 28 Prozent die Integration der in den letzten Jahren zugewanderten Migranten als erfolgreich an. Diese unterschiedlichen Wahrnehmungen verstärken den Handlungsdruck auf die Politik, um diskriminierende Strukturen abzubauen und die Integration zu verbessern, so fordert Sinanoğlu. Ohne eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus und strukturellen Benachteiligungen wird die gesellschaftliche Spaltung weiter zunehmen.

Die anhaltenden Diskussionen und der Widerstand gegen Rassismus zeigen jedoch, dass es auch Hoffnung auf Veränderungen gibt. Auch wenn aktuell keine neue Bewegung erkennbar ist, bleibt die Solidarität gegen Rassismus in der Gesellschaft stark. Die Herausforderung besteht darin, diese Solidarität in langfristige politische und gesellschaftliche Veränderungen umzuleiten.

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Ort Berlin, Deutschland
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