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Reflexreaktionen und vernünftige Forderungen: Die unterschiedlichen Denksysteme im Konflikt der Letzten Generation

"nd.DerTag": Zuhörerei statt Rauferei - Meinung zu den Reaktionen auf die Klimaproteste der Jungen Generation

Die erneuten Proteste der Jungen Generation am Flughafen Köln/Bonn haben viel Aufsehen erregt und verschiedene Reaktionen hervorgerufen. Dabei musste ich an den Psychologen Daniel Kahneman denken und seine Theorie zu den zwei Denksystemen. Kahneman unterscheidet zwischen dem instinktiven "System 1" und dem langsameren, jedoch vernünftigeren "System 2". Die reflexhaften Poltereien und Vorwürfe, wie "Ihr versaut den armen Menschen ihren Sommerurlaub!" oder "Wir müssen endlich härter gegen diese Klimakleber durchgreifen!", sind klare Beispiele dafür, wie Menschen oft von ihrem impulsiven "System 1" geleitet werden.

Was aber würde wohl das rationale "System 2" dazu sagen? Würde es nicht darauf hinweisen, dass das Blockieren einer Startbahn nicht dasselbe ist wie das Feststecken auf einer Autobahn? Gästen, die von den Flugverzögerungen betroffen sind, steht das Recht auf Entschädigung zu und in den meisten Fällen wird der Urlaub nicht ruiniert, sondern nur der Flug verzögert. Darüber hinaus könnte "System 2" zu dem Schluss kommen, dass eine juristische Unterdrückung friedlicher Proteste keineswegs gesund für eine Demokratie ist.

Wenn wir das "System 2" zu Rate ziehen, könnten wir sogar über die Inhalte der Proteste diskutieren. Denn die Forderungen der Jungen Generation sind keineswegs unüberlegte emotionale Ausbrüche, sondern gut durchdacht und vernünftig: Ein verbindliches internationales Abkommen zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wäre ein wirksames Instrument gegen die globale Erwärmung. Aus diesem Grund unterstützen nicht nur zahlreiche Länder des Globalen Südens, sondern auch 101 Nobelpreisträger*innen diese Forderung. Allerdings zählte Kahneman nicht zu den Unterstützern. Er war "zutiefst pessimistisch" in Bezug auf den Klimawandel und argumentierte, dass Menschen bei einer abstrakten Gefahr zu sehr an ihrem impulsiven "System 1" festhalten.

Es ist wichtig, dass wir uns von vorschnellem Urteilen abwenden und stattdessen offen für Dialog und den Austausch verschiedener Perspektiven sind. Nur durch Zuhören und den Einsatz des "System 2" können wir zu einer ausgewogenen Diskussion über drängende Themen wie den Klimawandel kommen. Die Proteste der Jungen Generation dienen als Weckruf an die Erwachsenenwelt, sich mit den dringenden ökologischen Herausforderungen auseinanderzusetzen und nachhaltige Lösungen zu finden.

Es ist an der Zeit, dass wir uns von alten Denkmustern verabschieden und bereit sind, dem Argument und der Stimme der Zukunft Gehör zu schenken.

NAG Redaktion

Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.

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