Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland: Die Unterschätzte Gefahr der „Grauen Wölfe“
Die Bedrohung durch die rechtsextreme türkische Bewegung der „Grauen Wölfe“ in Deutschland nimmt an Bedeutung zu. Wie sich diese Bewegung innerhalb der türkischstämmigen Community verankert und welche Risiken sie birgt, erläutert der Experte Burak Yilmaz in einem detaillierten Interview.
Zur Person
Burak Yilmaz, ein 36-jähriger Autor und Experte, forscht seit Jahren zu den Aktivitäten der „Grauen Wölfe“. Geboren und lebend in Duisburg, sieht er sich oft Beleidigungen, Einschüchterungen und Drohungen ausgesetzt.
Wer sind die „Grauen Wölfe“?
Die rechtsextremistische Bewegung der „Grauen Wölfe“, eine Bezeichnung für Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung, ist in Deutschland stark vertreten. Der Verfassungsschutz beobachtet diese Organisation, ein Verbot fehlt jedoch, ebenso wie das Verbot ihrer Symbole.
Die „Ülkücü“-Bewegung wurde 1968 von Alparslan Türkeş gegründet, der auch die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) ins Leben rief. Seit 2018 ist die MHP Koalitionspartner von Erdogans AKP.
Die Ideologie der „Grauen Wölfe“ basiert auf türkischem Nationalismus und Turanismus. Diese Ideologie behauptet die Überlegenheit aller Turkvölker und strebt ein großtürkisches Reich („Turan“) an. Minderheiten wie Kurden, Armenier und Juden werden als Gegner des Türkentums betrachtet.
Einfluss auf die Jugend
Die „Grauen Wölfe“ richten ihr Augenmerk besonders auf die türkische Jugend in Deutschland. Sie bieten Freizeitaktivitäten, Kurse und Nachhilfemöglichkeiten an, um junge Türken frühzeitig in ihre Strukturen zu integrieren. Dies geschieht oft in sozial benachteiligten Stadtteilen, wo die Jugendlichen ohnehin das Gefühl haben, dass sie von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden.
Über soziale Medien und durch gut vernetzte Aktivisten und Influencer gewinnen sie viele Anhänger. Ihre Strategien sind darauf ausgerichtet, den Diskurs zu verschieben und ihre Ideologie zu verbreiten, sowohl in der lokalen als auch in der Bundespolitik.
Bedrohung und Gewalt
Die „Grauen Wölfe“ agieren nicht nur politisch, sondern greifen auch zu Gewalt. Betroffen sind alevitische und kurdische Menschen, Pontosgriechen, Jesiden, Armenier und die jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Diese Gruppen werden nicht nur in der Türkei, sondern auch hier weiter terrorisiert.
Beispielsweise erhielten in Köln lebende Armenier Drohbriefe während des Konflikts zwischen Armenien und dem von der Türkei unterstützten Aserbaidschan im Herbst 2020. Solche Drohungen reichen jedoch bis ins Jahr 2016 zurück, als der Bundestag die Armenien-Resolution verabschiedete und die Massaker an den Armeniern als Genozid einstufte.
Politische Verstrickungen
Die Verbindungen der „Grauen Wölfe“ zur deutschen Politik reichen bis in die 1980er Jahre zurück. Damals lud die Union Alparslan Türkeş nach München ein, was zur Gründung der ersten „Grauen Wölfe“-Vereine in Deutschland führte. Seitdem konnten sie ihre Strukturen ungehindert ausbauen. Diese historische Verbindung erklärt teilweise die bisherigen politischen Versäumnisse im Umgang mit den „Grauen Wölfe“.
Aktuell zeigt sich eine fehlende Bereitschaft politischer Führungen, gegen diese Bewegung vorzugehen. Ein Verbotsantrag, der seit 2020 im Innenministerium liegt, wurde bisher nicht umgesetzt.
Polizeiliches Unverständnis
Die Opfer der „Grauen Wölfe“ stoßen bei der deutschen Polizei und Justiz oft auf Unverständnis. Es fehlt das Wissen über die Methoden und die ernsthafte Bedrohung, die von dieser Bewegung ausgeht. Dieser Mangel an Verständnis führt zu einem Gefühl der Ohnmacht bei den Betroffenen, die sich im Stich gelassen fühlen.
Besonders schmerzhaft ist dies für Menschen, deren Familien bereits in der Türkei unter der gleichen Bedrohung litten. Das mangelnde Eingreifen der Behörden erschüttert das Vertrauen der Community in die deutschen Sicherheitsinstitutionen.
Fazit
Die „Grauen Wölfe“ sind eine unterschätzte Gefahr in Deutschland. Ihr Einfluss reicht weit in die Gesellschaft und Politik hinein, und ihr Potenzial zur Gewalt ist groß. Die deutsche Politik und die Sicherheitsbehörden sind gefordert, sich dieser Bedrohung entschieden entgegenzustellen. Eine verstärkte Aufklärung und Prävention sind dringend notwendig, um die Ausbreitung dieser rechtsextremen Bewegung zu stoppen und die betroffenen Minderheiten zu schützen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Yilmaz!
Das Interview führte Efthymis Angeloudis für rbb|24.
– NAG