Kafkas Der Prozess als jiddisches Vaudeville: Ein Meisterwerk in Berlin

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Barrie Kosky inszeniert Kafkas "Der Prozess" am Berliner Ensemble. Die Premiere am 28.09.2025 vereint jiddisches Vaudeville und Komik.

Barrie Kosky inszeniert Kafkas "Der Prozess" am Berliner Ensemble. Die Premiere am 28.09.2025 vereint jiddisches Vaudeville und Komik.
Barrie Kosky inszeniert Kafkas "Der Prozess" am Berliner Ensemble. Die Premiere am 28.09.2025 vereint jiddisches Vaudeville und Komik.

Kafkas Der Prozess als jiddisches Vaudeville: Ein Meisterwerk in Berlin

Die Premiere von Barrie Koskys Inszenierung von „Der Prozess“ am Berliner Ensemble stellt einen herausragenden kulturellen Höhepunkt dar. In diesem innovativen Stück wird Franz Kafkas bekanntester Roman auf eine Weise interpretiert, die sowohl humorvoll als auch tiefgründig ist. Die Aufführung, die heute, am 28. September 2025, ihre Premiere feierte, ist im Stil eines jiddischen Vaudeville-Theaters gestaltet. Kosky, bereits bekannt für seine experimentellen Inszenierungen, verfolgt das Ziel, eine Verbindung zwischen Kafkas Werk und der jüdischen Kultur herzustellen, die oft in den Hintergrund gerückt wird.

In dieser Neuinterpretation wird der Protagonist Josef K. als ein tänzelnder, verletzlicher Clown dargestellt. Kathrin Wehlisch bringt diese Rolle eindrucksvoll zum Leben und interpretiert den berühmten ersten Satz des Romans mit einer Mischung aus Ernst und Komik. Die Inszenierung enthält Slapstick-Elemente und große Gesten, die zusammen mit Nebenfiguren wie Fräulein Bürstner und Wirtin Grubach zur komödiantischen Wirkung beitragen. Kosky sieht Kafkas „Apparat“ nicht als bloße Bürokratie, sondern als ein Symbol für das Judentum und verwandelt die Bühne nach K.s Verhaftung in eine Synagoge.

Kreative musikalische Elemente

Musikalische Komponenten spielen ebenfalls eine zentrale Rolle in dieser Inszenierung. Bach-Choräle in Jazz-Version und jiddische Lieder verweben sich zu einem aufregenden Klangerlebnis, das die emotionale Tiefe von Kafkas Werk hervorhebt. Während der Advokat Huld nicht auftritt, bleibt seine Stimme dennoch präsent, was die Absurdität der juristischen Auseinandersetzung unterstreicht. Besonders bemerkenswert ist die Einbringung von Constanze Becker, die Kafkas „In der Strafkolonie“ in das Ensemble integriert. Diese Entscheidung thematisiert nicht nur die Härte von Kafkas Sinnsuche, sondern verweist auch auf die Verfolgung von Jüdinnen und Juden.

Die Aufführung wird als Meisterleistung gefeiert, die durch ein starkes Ensemble getragen wird. Diese Inszenierung bietet einen frischen Blick auf Kafkas komplexes Verhältnis zu seiner jüdischen Identität. Die Einflüsse aus dem jiddischen Theater sind unübersehbar; bereits 1911 erlebte Kafka eine Theateraufführung einer östlich-jüdischen Theatergruppe in Prag, die ihn maßgeblich beeinflusste. Diese Gegebenheiten spiegeln sich in der Auswahl der Darsteller und in der Art und Weise wider, wie die Geschichte erzählt wird – durch eine Mischung aus Gesang, Tanz und dramatischen Elementen.

Die Bedeutung von Jüdischer Identität und Kultur

Zusätzlich zu den komödiantischen Elementen wird auch Kafkas jüdische Identität thematisiert. Sein Leben in Prag, einer Stadt, die einst Teil des Österreichisch-Ungarischen Reiches war, war geprägt von einer ständigen Auseinandersetzung mit seiner kulturellen Identität. Kafkas Eltern sprachen einen jiddischen Dialekt, womit die Kluft zwischen seiner jüdischen Heritage und der deutschen Sprache, die er für seine literarische Arbeit wählte, besonders deutlich wird. Sein Interesse an Yiddish-Kultur führte zu einer tiefen Auseinandersetzung mit der Frage, wie jüdische Stimmen in einer dominierenden deutschen Kultur Ausdruck finden können.

Kosky nutzt diese kulturellen Spannungen, um vergessene oder weniger bekannte Aspekte der jüdischen Kultur für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen. Er stellt damit nicht nur Kafkas eigene Herausforderungen als Schriftsteller dar, sondern beleuchtet auch die zeitlosen Fragen der Identität und Zugehörigkeit, die für viele Menschen von Bedeutung sind.

Mit dieser Inszenierung zeigt das Berliner Ensemble, dass Kafkas Werk weit über die literarische Welt hinausgeht und tief in kulturellen, sozialen und historischen Kontexten verwurzelt ist. Die Kombination aus Elementen des jiddischen Theaters und der Absurdheit seiner Erzählungen deutet darauf hin, dass Kafkas Botschaften heute genauso relevant sind wie zu seinen Lebzeiten.