Berlin AktuellPolitikPresseschau

Die unsichtbaren Helden: Junge Pflegende machen den Unterschied im deutschen Pflegesystem

Unverzichtbare Helfer – eine Unterschätzte Gruppe

Wer sich das Bild eines pflegenden Angehörigen vorstellt, denkt wahrscheinlich an eine Person mittleren Alters, die sich um ihre demenzkranke Mutter kümmert oder Eltern, die ein chronisch krankes Kind pflegen. Aber es gibt eine Gruppe, die oft übersehen wird: Jugendliche und junge Erwachsene. Dabei machen sie einen erheblichen Teil der Pflegenden aus. Schätzungsweise eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Deutschland pflegen ihre Angehörigen, und in jeder Schulklasse befinden sich ein bis zwei Schüler mit Pflegeverantwortung. Darüber hinaus übernehmen zahlreiche junge Erwachsene zusätzlich zu ihrer Ausbildung oder ihrem Studium Pflegeaufgaben.

Die jungen Pflegenden verzichten oft auf Erfahrungen, die für andere in ihrem Alter prägend sind. Während ihre Altersgenossen in Wohngemeinschaften ziehen, den Haushalt vernachlässigen, um sich mit Freunden zu treffen oder auszugehen, verteilen sie Medikamente und übernehmen eine größere Verantwortung, als es normalerweise in ihrem Alter üblich ist.

Dieser Artikel möchte den Blick auf die oft ungesehenen Anstrengungen der jungen Pflegenden lenken. Die Pflege findet in der Regel zu Hause statt, im Privaten und damit im Verborgenen. Die Angst vor Ausgrenzung oder Stigmatisierung sorgt zusätzlich dafür, dass viele junge Pflegende nicht über ihre Situation sprechen.

Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass das deutsche Pflegesystem ohne pflegende Angehörige zusammenbrechen würde. Der größte Teil der rund fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wird bereits zu Hause versorgt. Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der pflegebedürftigen Menschen bis 2055 auf 6,8 Millionen steigen könnte. In einem maroden Pflegesystem, in dem bereits jetzt Pflegekräfte fehlen, wird diese Lücke in Zukunft wahrscheinlich noch drastisch wachsen. Laut dem Statistischen Bundesamt könnten bis 2049 zwischen 280.000 und 690.000 Pflegekräfte fehlen.

Es ist daher unverzichtbar, pflegende Angehörige zu unterstützen und ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken – insbesondere den jungen Pflegenden. Studien zeigen, dass etwa zwölf Prozent der Studierenden in Deutschland eine Pflegeverantwortung haben. Zum Vergleich: Nur acht Prozent der Studierenden haben Kinder. Während es für Studierende mit Kindern üblicherweise Unterstützungsangebote wie Ausgleiche oder Verlängerungen gibt, fehlen solche Angebote für pflegende Studierende oft. Dies trägt dazu bei, dass sie sich häufig nicht gesehen fühlen.

Viele Pflegende wissen außerdem nicht, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können. Es ist daher wichtig, die Situation junger Pflegender mehr ins Bewusstsein zu rücken und dafür zu sorgen, dass Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten ein größeres Bewusstsein für dieses Thema entwickeln. Gerade von Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann nicht erwartet werden, dass sie sich nicht nur mit dem bürokratischen Dschungel auseinandersetzen, sondern auch noch mühevoll nach Hilfe suchen müssen. Sie benötigen niedrigschwellige Hilfsangebote.

Vor allem dürfen pflegende Angehörige nicht als selbstverständlich angesehen werden. In Diskussionen über den Pflegenotstand müssen sie berücksichtigt und für ihre Arbeit anerkannt werden – von der Politik, aber auch von der Gesellschaft.

NAG Redaktion

Versierte Journalisten mit einer starken Affinität für Wirtschaftsthemen. Arbeiteten seit mehr als einem Jahrzehnt in den Medien. Haben für verschiedene große Tageszeitungen und Online-Plattformen geschrieben und sind bekannt für tiefgründige Analysen und klare Darstellungen komplexer Sachverhalte.

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"