Christine Grote sitzt hinter dem Steuerknüppel ihres kleinen Segelflugzeugs und steuert konzentriert. Hinter ihr zieht das Motorflugzeug, das sie als Schleppflugzeug nutzt, und gemeinsam heben sie ab. Ein Gefühl der Freiheit und des Abenteuers erfüllt den Raum, während sie den Wolken entgegenschwebt. Es ist ein Moment, der an die Pionierleistungen von Melli Beese erinnert, der ersten deutschen Pilotin, die trotz erheblicher Herausforderungen ihre Leidenschaft fürs Fliegen verfolgte.
Melli Beese, geboren in eine wohlhabende Familie in Dresden, war gerade einmal 25 Jahre alt, als sie 1909 den Entschluss fasste, Pilotin zu werden. Damals waren Frauen in der Luftfahrt eine Seltenheit. Ihre ersten Schritte waren von Rückschlägen geprägt: Sie musste eine Vielzahl von Ablehnungen von Flugschulen hinnehmen. Schließlich erhielt sie eine Aufnahme an der Flugschule der Rumpler-Werke in Berlin-Johannisthal, doch die Schwierigkeiten waren noch lange nicht überwunden.
Hindernisse auf dem Weg zur Lizenz
Die Herausforderung ging weiter, als Melli Beese mit finanziellen und sozialen Barrieren kämpfen musste. Sie musste einen höheren Betrag für ihre Flugausbildung bezahlen als ihre männlichen Kollegen, erhielt keine Starterlaubnis und war sogar Opfer von Sabotageakten, die ihre Flüge gefährdeten. „Frauen im Flugzeug können nichts Großes leisten“, wurde gegen sie behauptet. Diese Rückschläge hielten sie jedoch nicht davon ab, ihren Traum weiter zu verfolgen. Ihr Durchhaltevermögen zahlte sich aus, denn am 13. September 1911, an ihrem 25. Geburtstag, erhielt sie ihre Flugzeugführerlizenz, die sie zur ersten weiblichen Lizenzinhaberin in Deutschland machte.
Melli Beese war nicht nur die erste, die eine Lizenz erlangte, sondern setzte auch mehrere Rekorde. Kurz nach dem Erhalt ihrer Lizenz stellte sie neue Höhen- und Langflugrekorde auf. Ihr Höhepunkt war ein Flug auf 825 Meter Höhe und eine Flugdauer von zweieinhalb Stunden, die sie für Frauen in der Luftfahrt festlegte.
Zusätzlich zu ihrer Rolle als Pilotin war Beese auch eine talentierte Erfinderin. Sie entwarf und konstruierte eigene Flugzeuge, von denen einige patentiert wurden. Besonders hervorzuheben ist ihr gemeinsames Projekt mit ihrem französischen Ehemann, einem Flugboot, das für große Luftreisen entwickelt wurde.
Der Erste Weltkrieg und die Folgen
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 kam es jedoch zu einem dramatischen Einschnitt in ihrem Leben. Da sie mit einem Franzosen verheiratet war, wurde sie als „feindliche Ausländerin“ betrachtet und durfte ihre Flugschule nicht weiter betreten. Diese Situation bedeutete für Beese eine massive Einschränkung ihrer Leidenschaft fürs Fliegen. Nach dem Krieg brach die Luftfahrtindustrie in Deutschland aufgrund des Versailler Vertrages ein, was für Melli Beese eine Depression und in der Folge eine Morphiumabhängigkeit zur Folge hatte.
„Heute sieht man Melli Beese definitiv mit anderen Augen“, erklärte Tatjana Dietl vom Deutschen Museum München. „Sie war tollkühn, wagemutig, emanzipiert und technisch versiert. Eine Frau, die für ihre Träume kämpfte und letztlich alles opferte.“
Der schwierigste Moment in ihrem Leben kam, als ihre Ehe 1925 zerbrach und ihre finanziellen Mittel erschöpft waren. Auf einem Zettel notierte sie: „Fliegen ist notwendig. Leben nicht.“ Tragischerweise nahm sie sich daraufhin das Leben. Ihr Grab auf dem Friedhof in Berlin-Schmargendorf wird seit 1975 als Ehrengrab geführt.
Obwohl Melli Beese nicht mehr unter uns weilt, bleibt ihr Erbe unvergessen. Es gibt zahlreiche Straßen und Plätze, die nach ihr benannt sind, und ihren Mut würdigt ein Aeroclub, der ihren Namen trägt. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Berufspilotinnen in der internationalen Luftfahrt nach wie vor in der Minderheit sind. Erst 1988 begannen Frauen bei der Luftfahrtgesellschaft Lufthansa als Pilotinnen im Cockpit zu arbeiten. Dieser Umstand verdeutlicht, dass der Weg für weibliche Piloten immer noch steinig ist.
„Melli Beese ist heutzutage unvergessen“, betont Dietl, und ihre Pionierarbeit bleibt eine Inspiration für viele Frauen bis heute. Die Entwicklung in der Luftfahrt und die fortwährenden Kämpfe um Gleichberechtigung haben ihre Wurzeln in ihren mutigen Entscheidungen und Taten.
Für weitere Informationen über Melli Beese und ihre herausragende Rolle in der Luftfahrtgeschichte kann der Leser den Artikel auf www.deutschlandfunkkultur.de besuchen.